Allgemein

Peter’s Cuttings – Als Christian Louboutin laufen lernte


Bild: Christian Louboutin

Im Herbst 1991 war ich als junger Einkäufer für ein Münchner Modehaus auf der Suche nach neuen Talenten und Labels in Paris unterwegs. Christian Lacroix hatte mir von zwei Leuten erzählt, die ihm gefielen: Philippe Ferrandis, ein junger Schmuck-Macher und von einem Mann, der sich heute auf einem unvorstellbaren Zenith befindet und nicht nur in aller Munde ist, sondern an den Füssen von fast jeder Frau, die auf sich hält: Christian Louboutin.
Kaum vorstellbar, hatte er sich doch eben erst dazu durchgerungen, sich mit einer kleinen Schuh-Kollektion selbständig zu machen. Zwar hatte er schon Schuhe entworfen – dieser im zwölften Arrondissement geborene, waschechte Pariser Junge mit kambodschanischen Vorfahren, sogar für Chanel und Saint Laurent…
Die letzten Monate hatte er allerdings eigentlich gedacht, dass er etwas ganz anderes machen wollte – nämlich Landschafts- und Gartenbau zu studieren und nebenbei kleine Recherchen und Artikel für die französische Vogue zu schreiben.

Aber irgendwie hatte er ganz schnell gemerkt, dass ihn die Arbeit an Schuhen und die Faszination dafür nicht los ließ. Ich rief ihn damals in seinem kleinen Atelier in der 19, Rue Jean-Jacques Rousseau an (dort ist neben der Rue de Grenelle immer noch die Louboutin Ur-Boutique) und letzten Sonntag fand ich wieder, was ich damals aufgeschrieben habe als ich mir die 16 Modelle anschaute, die seine erste Kollektion umfasste.
„Ich denke nicht an Mode, wenn ich einen Schuh entwerfe, ich denke an eine Frau in einer bestimmten Situation – nicht einfach an Catherine Deneuve, sondern an Catherine Deneuve in Belle de Jour. Oder ich denke an ein Ding, an ein Stuhlbein zum Beispiel, an Wedgwood-Porzellan oder an eine indianischen Skulptur.“ Diese Aussage von Christian Louboutin gefielen mir damals sehr, weil ich sie total nachvollziehen konnte. Überhaupt ist mir der Nachmittag immer in Erinnerung geblieben, weil es eigentlich so war, als würden sich zwei Jungs ihre Spielsachen zeigen. Très Sympathique!

Fertigen ließ er seine Entwürfe in der kleinen Manufaktur „Souliers Evelin’s“ in Nizza – natürlich in Handarbeit nach bester Tradition. Das merkte man den Sachen auch sofort an. Ich erkundigte mich nach den Preisen: zwischen 350 und 900 DM müsste man im Laden nehmen, wobei er erst einmal nur in seiner eigenen Boutique verkaufen wollte.

Eine Reihe in seiner ersten Kollektion hieß „Le Bois Dorés“: Pumps in grasgrünem, schwarzem und rotem Kalbsvelours, in Satin oder Python mit Blockabsätzen aus geschnitzter Buche. Inspiration waren die Spiegel oder Bilderrahmen des 18.Jahrhunderts. Die Funktion des Absatzes Umriss er mit den Worten „Er gehört zur Frau, wie der Rahmen zum Bild, er setzt sie nicht allein ab von der sie umgebenden Flachheit, sondern dient auch ihrer Silhouette und Haltung.“
Die nächste Kollektion sollte schon 40 Modelle umfassen, darunter Louboutins erster kniehoher Stiefel .Außerdem gab es eine Reihe, die „Wedgwood“ hieß und aus blauem Leinen mit aufgenähten Motiven aus weißem Lackleder bestand. Bei der „arabischen“-Serie legte Louboutin den Frauen Perlen- und Strass bestickte Schleier über den Spann.
Alle Schuhe waren wie Kunstwerke, die dieser sympathische Mann herbeigeträumt hatte und er wirkte überhaupt nicht gierig, sondern eher wie jemand, der gern in Ruhe seiner Phantasie freien Lauf gibt und sich freut, wenn ab und zu eines seiner Modelle verkauft wird.

Besonders angetan hatte es mir ein flaches Paar Schuhe, das aus schwarzem Velours bestand und auf dem linken Schuh ein großes L und die Hälfte des O’s hatte und auf dem rechten neben der zweiten Hälfte des O’s ein verschlungenes V und E. Es hieß „Love“ und war eine Hommage an die Liebe zu den Füssen der Frauen und natürlich zum Schuh an sich. Einen Monat später erschien es ganzseitig in der Jardin des Modes und natürlich in der Vogue. Prinzessin Caroline war vorbeigekommen und hatte sich sofort in diesen Schuh verliebt und ihn gekauft.

Die Erfolgsgeschichte der nächsten zwanzig Jahre kennen wir alle und heute ist Louboutin neben Manolo Blahnik der Schuhmacher der Träume weltweit. Es gibt mehrere Kollektionen und die Verkaufspunkte füllen ganze Aktenordner.

Christian Louboutin aber gärtnert noch immer gern, hat niemals sein Label an einen Großkonzern verkauft und wirkt immer noch bescheiden. Natürlich kann er sich mehr leisten aber eigentlich ist er immer noch ein phantasievoller Schuh-Träumer mit einer Vision.
Sicherlich hätte er heute keine Zeit mehr mir die ganze Kollektion zu zeigen, sie ist ja auch viel umfangreicher und er viel mehr gefordert, aber das schöne ist ja das er das auch gar nicht mehr braucht, denn er hat mir ja damals alles erklärt und daran hat sich eigentlich nie etwas geändert. Nur sind heute eben die Thematiken andere sind und es ist sicherlich nicht mehr Evelin, die in Nizza alle Schuhe schafft – dafür hat Louboutin eigene Produktionsstätten.

Bild: Christian Louboutin

Schön, dass ich damals bei Christian Louboutin angerufen habe, sonst hätte ich seine erste Kollektion verpasst und die Love-Schuhe nicht gesehen. Sie sind bis heute mein Lieblingsschuh von ihm, obwohl sie keine rote Sohle hatten – oder sie ist mir nicht in Erinnerung geblieben. Das fand ich damals auch nicht so wichtig, denn das Brennen der Phantasie hat mich an den Louboutins viel mehr fasziniert.

Alle Bilder: Christian Louboutin

  • Monsieur_Didier
    10. September 2012 at 09:53

    …ein toller Artikel…
    ich fand Christian Louboutin verglichen mit Manolo Blahnik immer witziger und irgendwie respektvoll ironisch.
    Blahnik war mir immer zu Madamig…

  • Siegmar
    10. September 2012 at 12:31

    Peter deine Artikel sind für mich immer so ein schöner Start in die Woche, wunderbar.
    Bei Louboutin sind die Damenscchuhe bestimmt toll, die Herrenschuhe in der Regel für Menschen mit Aufmerksamkeitsproblemen.;-)

  • Monsieur_Didier
    10. September 2012 at 14:01

    @ Siegmar:
    …das mit dem Aufmerksamkeitsproblem bei männlichen Louboutin-Trägern kann gar nicht sein…
    schließlich trägt Elton John Louboutinschuhe …

  • Siegmar
    10. September 2012 at 15:48

    @ Monsieur_Didier

    stimmt mit Elton John, ich nehme alles zurück, finde 🙂

  • Horstson » Blog Archiv » Todd Selby zu Besuch bei Christian Louboutin
    8. Februar 2013 at 12:29

    […] sich die Zeiten doch ändern – vor ziemlich genau 22 Jahren telefonierte Peter mit einem jungen Schuhdesigner, der sich gerade erst durchgerungen hat, mit einer kleinen Schuhkollektion selbstständig zu […]