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Peter’s Cuttings – Als Audrey Hepburn vor mir bei Givenchy saß


Wenn man sich jahrzehntelang mit Mode beschäftigt, gibt es so einige Momente, die man niemals vergisst. Sind es besondere Kollektionen, einzelne Kleider oder die Begegnung mit Menschen. Nun bin ich gerade dabei, meine Archive auf zu räumen und fand neulich eine Kiste mit Modenschau-Einladungen und da war sie ganz deutlich wieder mir vor Augen, als sei es gestern gewesen, die Geschichte die ich euch heute erzählen möchte.
Givenchy, über 40 Jahre eines der bedeutendsten Couture Häuser von Paris, heute an den Arnault Konzern LVMH verkauft und völlig gewandelt, wurde 1952 von dem aus Nordfrankreich stammenden Hubert de Givenchy gegründet und hat ähnlich wie Balenciaga einen sehr eigenen Stil verfolgt. Als er seine erste Kollektion 1952 zeigte, war das durchschlagend neue das die Couture jung war und zum Beispiel – was bis dahin undenkbar gewesen war – auch Baumwolle verarbeitet wurde. Die Wickelbluse „Bettina“ wurde das meist photographierte Teil der Saison und war benannt nach Bettina Graziani, die zu der Zeit eines der berühmtesten Models war. Als Givenchy sein eigenes Modehaus gründete, wurde sie seine Pressedame. Sie hatte die besten Verbindungen, weil sie die Verlobte von Ali Khan war, dem Sohn des Aga Kahan, dem Oberhaupt der Ismaeliten, der in jedem Jahr in Gold und Edelsteinen aufgewogen wurde.

 
1953 lernte Givenchy die Frau kennen, die ein Leben lang seine Muse und Freundin bleiben sollte: Audrey Hepburn. Für den von Billy Wilder inszenierten Film „Sabrina“ erarbeiteten sie gemeinsam die Kostüme. Ab diesem Zeitpunkt legte Audrey Hepburn fest, dass lebenslang für alle ihre Filme Hubert die Kostüme schneidern sollte. Givenchy arbeitete eng mit Balenciaga zusammen und als der sein Haus 1968 schloss, gingen fast alle seine Kundinnen zu Givenchy.
Givenchy pflegte einen weiblichen Stil, der aber auch Sportswear-Elemente in sich vereinigte und galt als „wahrer“ Couturier, weil seine Stoffe, am liebsten arbeitete er mit der berühmten Seidenweberei Abraham in Zürich zusammen, sehr aufwendig farbenfroh und äußerst kostbar und raffiniert waren. Er schuf den sogenannten „Jeunesse-Stil“
Im Januar 1991 wurde Europa nicht nur von einem äußerst kalten Winter heimgesucht, nachts fiel das Thermometer unter die Minus 20 Grad Marke, sondern, war auch zutiefst verunsichert, weil die amerikanische Armee im Irak einmarschiert war. Ganz Europa stand unter dem Einfluss der Terrorwarnungen, es wurde davon abgeraten, zu fliegen und die Sicherheitsmaßnahmen wurden extrem verschärft. Nun standen die Defilees der Couture in Paris vor der Tür und die französischen Firmen zitterten, weil natürlich keine einzige amerikanische Kundin (sie stellten damals den Löwenanteil der Couture Kundinnen) geschweige denn die damaligen Star-Journalisten wie John Fairchild von WWD, Polly Mellen von Allure oder Suzy Menkes, den großen Teich überqueren würden-

Es wurde überlegt die Couture-Woche ab zusagen, jedoch kurz darauf beschlossen, dass sie stattfinden sollte. Meine Einladungen hatte ich alle sortiert: Christian Lacroix, Valentino und Jean Louis Scherrer zeigten im Hotel Intercontinental in der Rue de Castiglione. Chanel und Givenchy in der École des Beaux-Arts in der Rue Bonaparte.
Allein der Flug nach Paris erschien schon wie ein Geisterflug. Die meisten Passagiere hatten ihre Passagen storniert und mit vier Insassen startete der Flug nach Paris. Vorher Gepäck-Iidentifizierung auf dem Rollfeld. Sicherheitsmaßnahmen bis zum Abwinken, auch bei der Ankunft. Vor meinem Hotel in der Rue du Faubourg Saint Honoré, einen Steinwurf entfernt vom Elysee Palast, standen jeweils in Rufweite Soldaten mit Maschinen-Pistolen. Restaurants, menschenleer und viele geschlossen. So hatte ich Paris noch nie erlebt.

Zwangsläufig kamen Gedankengänge wie „Oh Gott, die Welt steht still vor Angst und ich schau mir bestickte Abendroben für tausende von Mark an“.

Valentino zeigte ein bodenlanges, ganz besticktes Abendkleid, das in zehn Sprachen das Wort Frieden plakativ zeigte und die Ränge waren wider erwarten doch vollzählig besetzt. Am dritten Tag kam sie dann, eine meiner Sternstunden, wovon man im Nachhinein denkt, super, dass ich das noch erleben durfte.

Die Präsentation der Givenchy-Schauen war immer ein ganz besonderer Ritus. Givenchy hatte bis weit in die Siebzigerjahre gar keine Presse zu seinen Schauen zugelassen(heute unvorstellbar) und danach wirklich sehr selektiert; nur Kundinnen und High-End-Presse wie Vogue oder Harper’s Bazaar waren zugelassen. Das Haus war sehr darauf bedacht, dass erst die Kundinnen die Kollektion sahen und sie erst im Anschluss veröffentlicht wurde. Die Schauen begannen immer sehr Frühmorgens, Givenchy war Frühaufsteher.

Vor der Zeit des Internets, muss man wissen, gab es gedruckte Pressemappen, die auf den Plätzen lagen und nur den geladenen Gästen zugänglich waren. Der Couturier machte Skizzen, die die Keylooks und die Linie zeigten. Dazu eine Zeichnung der Frisur, für die Schau von Alexandre, der fast alle Haute Couture Schauen frisierte und sich die passenden Styles zu den Linien der jeweiligen Modeschöpfer ausdachte. Bei einigen Modehäusern wie Chanel gab es dann noch drei vier echte Photoabzüge und eine Liste der Zulieferer für Schmuck, Accessoires und die Schuhe.
Dazu eine mit der Schreibmaschine geschriebene Liste, auf der numerisch die Durchgänge und Looks verzeichnet waren und eine Beschreibung des Modells gegeben wurde. Man musste also Ahnung von Schneiderei haben, weil die Nahtführungen und Silhouetten, die Stoffe und die Zutaten beschrieben wurden. Das war alles. Natürlich, weil die Cd oder ähnliches noch nicht erfunden war.
Die neuen Kollektionen kannte nur derjenige auf der Welt, der die Schau sah und von dem jeweiligen Couturier eingeladen war. Endverbraucher sahen in der Regel dann in der Vogue die Produktionen, ein Vierteljahr später.

Bezahlte Promis oder Celebrities, wie heute, gab es zu der Zeit bei den Schauen nicht. Womens Wear Daily, Allure, Vogue, L’Officiel in der ersten Reihe vor dem Laufsteg mit dem besten Blick, dann in Blöcken die Kundinnen, Einkäufer und Kommissionäre. Auf der anderen Seite die Zulieferer und die Freunde des Hauses.

Ich landete auf der Seite mit den Freunden des Hauses und nahm meinen Platz in der zweiten Reihe ein.Neben mir saß Gustav Zumsteg von Abraham aus Zürich, daneben Directricen aus den Ateliers. Und dann kam eine Frau, die viel zierlicher und kleiner wirkte, als man sie eh schon einschätzte. Sie war praktisch ein Nichts mit der Haltung einer Primaballerina. Grauer Hosenanzug, mit einer kreidegrauen Schluppen Crepe de Chine Bluse. Flache Krokoslipper in Tabakbraun und eine Umhängetasche mit silberner Schließe.

Sie begrüßte uns freundlich und lächelte uns aus ihren großen Kinderaugen, die von ein paar Falten umspielt wurden, an. Mir wurde heiß und kalt zugleich.

Audrey Hepburn, eine Legende, heute zum Mythos geworden, die überhaupt nichts mit den B und C Prominenten zu tun hatte, die heute die Rows säumen. Traumfrau aus Filmen wie „Charade“ oder „Funny Face“ und vor allem „Frühstück bei Tiffany“, den ich bis heute schon etwa zweihundert Mal gesehen habe. Nicht zu vergessen in „Roman Holiday“, wo sie eine Prinzessin spielte, die während eines Staatsbesuches aus dem Palast flieht und mit einem Reporter, gespielt von Gregory Peck, Rom entdeckt. Mein romantisiertes Rom-Bild wurde von diesem Film geprägt.

Die Schau beginnt und Traumroben geben sich die Klinke in die Hand. Als der grüne Hosenanzug, den ihr auf der Zeichnung von Hubert de Givenchy seht, kommt, dreht sich Audrey um und sagt zu mir ob ich auch so außer mir bin und ihn so bezaubernd finde. Ich glaube, da ich mich völlig verkrampft hatte vor Aufregung, dass ich nur noch ein „Oui“ gestammelt hatte. Hätte sie mich gefragt, ob ich gerade einen rosa Elefanten vorbei kommen sehen hab, hätte ich sicherlich das Gleiche geantwortet.

Eigentlich ist mir aus der Kollektion nicht wirklich ein Kleid – außer diesem Hosenanzug – in Erinnerung, sondern nur die Aura dieser wunderbaren Frau. Welchen Zauber strahlte sie aus und wie wunderschön war sie und stilvoll!! Ich war für den Rest des Tages völlig im Schwebezustand. Zwei Jahre später starb sie, noch heute ist sie eine Legende und ihre Filme Klassiker. Ich denk unheimlich gerne an diesen Tag und Givenchy und Audrey waren auch so eine Einheit. Schön, dass ich das erleben durfte. Es ist eine meiner Sternstunden der Mode… die anderen erzähl ich euch dann ein anderes Mal.

  • thomas
    14. November 2011 at 09:29

    herr kempe! vielen dank für diesen schönen und ehrlich einblick in die sonst so kühle welt der mode

  • Daisydora
    14. November 2011 at 10:46

    Lieber Peter,

    der Bericht ist wunderwunderschööööön … das hatte ich Horst schon samstags geschrieben, dass unter all den tollen und charmanten Berichten von dir das für mich der Schönste ist.Es fühlt sich so an, wie von dir an der Hand und zu der Schau mitgenommen. Danke 🙂

  • peter kempe
    14. November 2011 at 11:24

    @daisydora

    tausend dank da kann ich agr nichts drauf engegnen-das kommt doch so aus mir raus….schön wenn es gefällt!!!

  • Chi
    14. November 2011 at 11:36

    Einfach nur wunderbar. Alles, bevor ich überhaupt geboren wurde, vieles, was ich nicht wusste und vielleicht kaum nachvollziehen könnte, aber so so so schön geschrieben, dass man Tränen bekommt :). Danke dafür.

  • siegmarberlin
    14. November 2011 at 15:50

    das ist tatsächlich eine Sternstunde gewesen, lieber Peter, da beneide ich Dich glühend. Diese wunderbaren Filme mit dieser aussergewöhnlichen, beeindruckenden Frau und Du triffst sie real.Sie ist für mich ein wirklicher Star. Dein Artikel geht so in die Tiefe, das ich das Gefühl hatte dabei gewesen zu sein. Vielen Dank

  • blomquist
    14. November 2011 at 16:05

    <3

  • cottbus
    14. November 2011 at 20:19

    Ein sehr beeindruckender Artikel und ein wenig neidisch kann man da schon werden! 🙂

  • Horstson » Blog Archiv » Die Woche auf Horstson
    20. November 2011 at 11:05

    […] ein großer Fan von Peter’s Cuttings bin ist kein Geheimnis. Mit der Geschichte über Audrey Hepburn, die während einer Show von Givenchy vor Ihm saß, hat er mich auch am letzten Montag komplett begeistert und mir den Tag in die Arbeitswoche […]

  • Ulrike Teterycz
    6. März 2012 at 07:44

    Was Audrey Hepburn wohl zu der neuesten Show von Givenchy gesagt hätte? Und sähe die Kollektion überhaupt so aus, wenn Kundinnen wie sie noch existierten?