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Peter’s Cutting – La Rose de Chanel No.5

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Peter mit Joseph Mul; Bild: Horstson

Immer im Monat Mai blüht in der Region um die südfranzösischen Stadt Grasse die Rose der Sorte „Centifolia“. „Centifolia“ ist eine ganz besonders schöne und intensiv duftende Rosenart, die eine der Grundlagen des Parfums „Chanel No.5“ bildet und deren schönste Exemplare auf der Domäne von Joseph Mul blühen und gedeihen. Mul hegt und pflegt seine Stöcke und Felder schon seit mehreren Generationen und war schon lange Zeit Lieferant für Chanel. 1987 überlegten er und Chanels Chef-Parfumeur, Jacques Polge, dass man exklusiv zusammenarbeiten sollte und so wird, in der Art der Paraffections-Ateliers, bis heute exklusiv für das Parfum „Chanel No.5“ die Rose „Centifolia“ angebaut und geerntet. Letzte Woche besuchte ich Monsieur Mul auf seiner Domäne und mit seiner warmen Art begeisterte er mich sofort …
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Bild: Chanel

Auf der Reise nach Grasse fiel mir sofort ein, dass Düfte eigentlich etwas ganz Privates und Intimes sind. Natürlich gibt es heute eine ganze Duftindustrie, aber eigentlich beginnt alles mit dem Duft der Mutter, den wir als erstes bei unserer Geburt wahrnehmen und mit dem jedem Menschen eigenen Selbstgeruch – denn jeder von uns hat einen eigenen nur ihm zuzuordnenden Duft …
Daher kommt auch das Sprichwort „Jemanden nicht riechen können“ oder auch die besondere Zuneigung zu Menschen, „die wir besonders gut riechen können“.
Aber natürlich hat die Menschheit im Laufe der Jahrhunderte auch dort etwas erfunden, um dem ein bisschen nachzuhelfen und besondere Wohlgerüche kreiert, die den eigenen Geruch übertönen oder verändern. Düfte, die uns je nach Neigung mit dem Geruch versorgen, wie wir uns vorstellen, riechen zu wollen.
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Bild: Chanel

Schon die alten Ägypter versuchten die Duftstoffe von Blumen oder Harzen in Pasten zu fixieren und rieben sich damit ein. In Grasse entwickelten sich zunächst viele Gerbereien die Leder verarbeiteten. Nun weiss jeder, dass Gerbereien nicht besonders gut riechen und auch das Leder im frischen Zustand einen eher unzumutbaren Duft ausströmt. Da Grasse von Bergen umgeben ist, aber gleichzeitig in der Nähe des Meeres liegt, hat es fast ein Mikroklima und die Region war gut dazu geeignet, dort Blumen der verschiedensten Art anzubauen. Aus den Blumen wurden mit Hilfe von Fetten Duftstoffe gewonnen und später, im 17.Jahrhundert, parfümierte man damit seinen Handschuh ein und die Handschuhmacher in Paris verkaufte diese Düfte.
Ende des neunzehnten Jahrhunderts, mit dem Aufkommen der Lösungsmittel, wurde ein Verfahren erfunden, das auch noch Jean-François Vieille anwendet, der neben den Rosenfeldern die Destillerie für die “Concretes”, die reinen Duftstoffe, die eine der Zutaten für “Chanel No.5″ bilden, gewinnt. Eau de Toilettes und die Derivate haben auch Rosen als Zutaten, diese werden aber zum Beispiel im Traditionsland der Rose, Bulgarien, gewonnen.
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Bilder: Chanel

Nach dem Ernten in den Morgenstunden beginnt der Wettlauf mit der Zeit, denn nur die frische gepflückte Rose kann optimal destilliert werden und genau dem entsprechen, was die Parfumeure verwenden können. Für 1 kg sind mehr als 350 Rosen sind nötig, 1 Pflücker schafft 5 Kilo Rosen in der Stunde und 400 kg Rosen benötigt man, um 1 kg des „Concretes“ zu gewinnen. Immer noch sehr, sehr mühsam und aufwendig …
Die Düfte werden aus den Blüten „herausgewaschen“ – das hört sich kompliziert an und ist es auch! Hat man einmal den Entstehungsprozess gesehen und beobachtet, wird man sich nie wieder über den Verkaufspreis beschweren … Bei günstigen Kosmetikbrands werden übrigens chemische Stoffe verwandt.
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Bilder: Horstson

Zunächst werden die Säcke mit den Blüten auf altmodischen Waagen, die mich sofort begeisterten, gewogen. Wie man auf dem Foto sieht, bin bei unserem Rundgang mit in die Rosentrommel geraten, was normalerweise natürlich nicht der Fall ist. Eines kann ich euch aber verraten – es ist ein wunderschönes Gefühl, so in diesen zauberhaft duftenden Rosen zu baden und ich denke mir, dass Dagobert Duck ein ähnliches Gefühl in seinem Talerbad hatte …
Als Lösungsmittel werden 2.000 Liter Hexan angewandt, um in drei Waschprozessen die Duftstoffe aus den Pflanzen zu waschen. Durch die Hitze verdampft das Lösungsmittel, aber die Duftstoffe fließen, wie eine Art „Sirup“, aus der Trommel in bereitgestellte Stahlgefäße und erkalten zu einem Wachs – dem „Concrete“.
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Bilder: Chanel

Weitere aufwendige Prozesse sind nötig um aus dem „Concrete“ das flüssigere und reinere Absolut zu machen, das dann schließlich und endlich der Parfumeur, die sogenannte „Nase“, verwenden kann. Chanel hat drei berühmte „Nasen“, die nicht nur für die Neuerschaffung von Parfums, sondern auch die „Beduftung“ der Kosmetik und natürlich auch für die Einhaltung des Qualitätsstandards zuständig sind. Denn ein Klassiker wie „Chanel No.5“ kann ja nicht plötzlich eine andere Nuance der Rose beinhalten oder Schwankungen der Blüten-Qualität vertragen. Parfum ist empfindlich wie eine Jungfrau, was an den berühmtesten Roman über die Geschichte der Parfumeure, „Das Parfum“ von Patrick Süskind, erinnert.
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Bild: Chanel

Chanels Parfumeure sind moderne und sehr erfahrene Männer, die, wie Jacques Polge, Duftlegenden wie „Coco“ kreiert haben. Sein Sohn Olivier, der schon für Gaultier Welterfolge erzielte, folgt gerade nach und schon seit sieben Jahren ist der äußerst sympathische Christopher Sheldrake bei Chanel.
Christopher Sheldrake ist gebürtiger Brite, der seine Kindheit in Indien verbrachte. Sheldrake kam in Indien mit tausenderlei Gerüchen schon sehr früh in Verbindung. Wie er mir in einem langen und sehr humorvollen Gespräch erzählte, gehörten diese Eindrücke zu seinen ganz fest eingeprägten Kindheitserinnerungen. Die Eltern kehrten mit ihm nach England zurück und eigentlich wollte er mit achtzehn Jahren nur seine Sprachkenntnisse in Südfrankreich verbessern. Als er nach Grasse kam, standen nicht nur die Düfte seiner Kindheit wieder vor seinen Augen, sondern, genau wie es Ernest Beaux 1920 erlebt hatte, als er in Grasse auf die Zutaten für sein „No.5“ Debüt mit Mademoiselle Chanel 1921 gestoßen ist, war er fasziniert von der Schönheit des Jasmins und sicherlich auch der Mairosen. Sheldrakes Entschluss stand fest und er wollte Parfumeur werden. Auf meine Frage, ob seine Eltern davon begeistert waren, denn immerhin ist es ein Beruf, in dem man absolute Spitze sein muss und nicht so konventionell und sicher wie Kaufmann oder Banker, sagte Christopher, dass seine Eltern einiges von ihm gewohnt waren …
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Christopher Sheldrake; Bild: Chanel

Nach seiner Ausbildung an einer der renommiertesten Schulen für Parfumeure kreierte Christopher Sheldrake für diverse französische Dufthäuser und arbeitete lange an der Seite des Ausnahme-Parfumeurs Serge Lutens. Die Zusammenarbeit mit Lutens war für Sheldrake prägend und ermutigte ihn, sich weiter zu perfektionieren. Schließlich kam er zu Chanel und wurde Direktor der Bereiche Research und Development.
Die Gelegenheit eines langen persönlichen Gesprächs mit Sheldrake und seine humorigen Beschreibungen von Duftwelten, erinnerten mich total an das, was Handwerk, gutes Kochen oder auch die Welt des Weines ausmacht. Es ist in erster Linie die Sorgfalt, die Menschen wie Monsieur Mul der Pflege und Hege der Pflanzen angedeihen lassen, die die Grundstoffe der Zutaten der Parfumeure bilden und die Qualität bestimmen. Und es ist das Geschick, das Raffinement und die Fantasie des Parfumeurs, der den Düften ihre Individualität verleiht.

Bei Christopher Sheldrake bin ich sehr gespannt, was er für Chanel noch schaffen wird, denn seine Art der Interpretation der Ikonen des Hauses lässt auf einiges an Überraschungen hoffen. Immerhin gilt es, die legendären Linien „No.5“, „No.19“ oder auch „Coco“, „Allure“ oder „Coco Noir“ in Zukunft fortzusetzen.
Eines ist dabei sicher – die Blumen von Grasse werden mit dabei sein und der Sohn von Monsieur Mul wird der Familientradition treu bleiben – Chanels duftende Zukunft ist gesichert …

Für diejenigen unter Euch, die etwas mehr über die Geschichte von „Chanel No.5“ erfahren möchten, hier noch ein kleiner Film aus der „Inside Chanel“ Reihe …

  • Siegmar
    26. Mai 2014 at 12:28

    ganz großartiger Beitrag lieber Peter, um den Besuch beneide ich Dich sehr :-). Jedem zu empfehlen das Buch “ der geträumte Duft “ von Jean-Claude Ellena, der Chefparfümeur von Hermès.
    Aus der Buchbeschreibung :
    Der geträumte Duft ist das Tagebuch eines Jahres: Zwei neue Parfüms hat Ellena in dieser Zeit geschaffen, und wir Leser schauen ihm dabei über die Schulter und auf die Finger und beginnen die Welt durch seine Nase zu riechen..

  • blomquist
    26. Mai 2014 at 12:55

    WUNDERBAR!

  • J
    26. Mai 2014 at 13:27

    Beeindruckend

  • thomash
    26. Mai 2014 at 18:16

    auch für den leser ein fantastischer ausflug nach südfrankreich. super! vor allem, dass es da manchmal rosenblätter auf einen regnet! : -))

  • Monsieur_Didier
    26. Mai 2014 at 23:13

    …wie immer eine tolle Mischung aus Wissen und Empathie…
    Kompliment…!

  • Markus
    27. Mai 2014 at 04:41

    großartig!!!!!!

  • Ivy
    27. Mai 2014 at 12:31

    Was für ein wunderbarer Bericht, vielen Dank!

  • Die Woche auf Horstson | Horstson
    1. Juni 2014 at 12:55

    […] 1) Jeden Montag gibt es die Serie Peter’s Cuttings. Diesmal ging es nach Grasse – La Rose de Chanel No.5. 2) Meine Lieblingsband hat gerade eine neue Platte veröffentlicht. Infos dazu gab es von Jan […]