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Peter’s Cutting – Helmut Lang Archiv Wien

Foto: Elfie Semotan, 1989; Bild: Museum für angewandte Kunst, Wien

In der letzten Woche habe ich mir im Wiener Museum für angewandte Kunst das seit kurzem präsentierte Archiv des legendären und prägenden Designers Helmut Lang angeschaut. Lang, der heute als Künstler in den USA lebt und nach dem Verkauf 2005 seines Labels sein Leben geändert hat, gab einen großen Teil seines Archivs an das Museum, das in seiner Heimatstadt auf beeindruckende Weise die Lang Heritage zeigt.
Dabei beeindruckt sofort, dass neben den ausgestellten Stücken, meist Meilensteine aus dem Schaffen des österreichischen Ausnahmetalents, alle Trouvaillen, nicht, wie es sonst häufig die Regel im Museum ist, im Depot verschwinden. Das gesamte Archiv wird in Stahlschränken, die wie eine Art Arbeitstisch sind, der dem von Helmut Lang nachgebildet ist, entweder zugänglich gemacht …
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Helmut Lang; Bild: Museum für angewandte Kunst, Wien

Schnell wird einem klar, dass Helmut Lang wirklich den Stil der Neunziger Jahre durchschlagend geprägt und revolutioniert hat. Kein österreichischer Designer hat solch eine Internationalität erreicht und vor allem hat er selbst viele Dinge erneuert und mit einem begnadeten Auge für die Zukunft diese um Jahre vorweggenommen. Dass er 1998 die erste Modenschau live im Internet übertrug oder dafür sorgte, dass heute die New York Fashion Week den Modeschauen-Kalender eröffnet, sind nur einige seiner Pioniertaten.
Aber drehen wir auf Anfang zurück, denn Helmut Lang gehört zu den Designern, die mich sehr geprägt haben und über den es sich lohnt, mehr zu erfahren. Als ich durch die Ausstellung ging und mich mit vielen Objekten, Kollektionsteilen und Lookbooks beschäftigte, fiel mir meine erste Begegnung mit Helmut Lang ein. In den Achtziger Jahren galt Wien als Brücke zum Osten. In keiner Stadt war die Verbindung von westlichen, amerikanisch geprägten Einflüssen aber auch die Nähe von Ungarn und des Ostblocks so deutlich zu spüren, was dieser Stadt ein einmaliges und sehr kreatives Flair gab. Aufbruch war überall zu spüren, aber auch eine ungeheure Tradition, was in der Regel einen idealen Nährboden für Neues von guter Qualität bilden kann.
Mit den Ausstellungen „Traum und Wirklichkeit“ in der neu restaurierten Wiener Secession bekam der Jugendstil und die Wiener Werkstätte, mit Designern wie Joseph Hoffmann oder Adolf Loos, eine gigantische Renaissance und auch die Werke des Malers Gustav Klimt feierte einen zweiten Frühling. Plötzlich stand die Stadt, die sich am östlichsten Rand der westlichen Welt befand, im Rampenlicht und zog Kreative aus aller Welt an. Karl Lagerfeld und Vivienne Westwood unterrichteten die Modeklassen an der Akademie und Trendscouts entdeckten vieles, was man in Paris oder London nicht fand. Österreich gehörte nicht zur Europäischen Gemeinschaft und hatte seine Verbindung zur osteuropäischen Kultur nie aufgegeben. Die Mischung der Kulturen ließ eine eigenständige Stilistik in der Kunst und auch in der Mode entstehen.
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Links: Lookbook A/W 2003; rechts: Layered Horse Hair Stiletto Boot, A/W 2004/2005 Homme Femme Collection
© Anette Meixner/MAK; Bilder: Museum für angewandte Kunst, Wien

Als ich mich 1987 bei einem österreichischen Modehaus bewarb und einige Wochen in Wien war, sagte eines Tages ein Freund zu mir, das er mir einen Laden zeigen wollte, der völlig andersartige Sachen hatte. Es war die Boutique des Mannes, der gerade seine erste Herrenkollektion gemacht hatte: Helmut Lang. Seine Schuhe, die er für die österreichische Schuhfirma Humanic entwarf, waren mir schon im großen Laden am Stephansplatz aufgefallen. Als wir in den Laden kamen, war Lang selbst da: cooler Typ, schmales Gesicht, schulterlange glatte Haare … Er zeigte uns seine minimalistischen Entwürfe für Damen und seine wenige Teile umfassende Herrenkollektion.
Die Sachen waren total anders in einer Zeit, als der „Bling Bling“ Stil und die Prachtentfaltung der Haute Couture gerade einem neuen Höhepunkt anstrebten. Lange bevor Jil Sander oder Martin Margiela puristische Herrenkollektionen zeigten, waren seine Sakkos streng und glatt geschnitten, auf drei oder vier Knöpfen hochgeschlossen und aus avantgardistischen Materialien, die viele technische Materialien vorwegnahmen.
Ich entschied mich für ein khakifarbenes Baumwollsakko, das changierend grün auf eine besondere Weise seine Farbe in bestimmtem Licht veränderte und schmal geschnitten und schmale Revers hatte. Es stand im Gegensatz zu der Oversize Mode der Zeit und hatte keine gepolsterten Schultern. Getragen habe ich es zwanzig Jahre bis es auseinanderfiel …
Auf dem Etikett stand stolz „Helmut Lang Vienna“, was darunter in japanischen Buchstaben wiederholt wurde. Die Japaner strömten damals in Scharen nach Wien und sicherlich fand Helmut Lang seine Vorbilder auch eher bei Miyake, Yamamoto und Rei Kawakubo, als in der europäischen Mode, die in Mailand und Paris auf einem anderen Dampfer unterwegs war.
Aber Paris verdankt Lang seinen internationalen Durchbruch und seinen Weltruhm – auch wenn er lange Zeit in seiner Heimatstadt wohnen blieb und arbeitete, denn in Paris hatte der Autodidakt aus dem 22. Bezirk seine erste Boutique mit 23 Jahren eröffnet.
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Bilder: Helmut Lang

1986 eroberte mit einer großen Ausstellung im Centre Beaubourg George Pompidou, bei der auch einige Entwürfe von Helmut Lang gezeigt wurden, der Wien-Boom auch Paris. Der Zufall wollte es, dass Jean Jacques Picart Lang entdeckte. Picart unterhielt eine PR-Agentur, die Designer vertrat. Er hatte eine ungeheure Spürnase und baute neben Jean Paul Gaultier, Thierry Mugler oder Jean-Charles de Castelbajac auch ausländische Designer auf, so machte er früh für Jil Sander internationale PR und entdeckte Helmut Lang, der dann schon in der nächsten Saison seine erste Laufstegschau auf der Prêt-à-porter zeigte.
Alles ging rasend schnell und Helmut gründete im selben Jahr seine eigene Firma und schon 1987 brachte er seine erste Herrenlinie heraus. Japanische und italienische Einkäufer, aber auch Barneys aus New York, erkannten das ungeheuer zukünftige und krasse Andere in seinen Kollektionen und orderten sofort. Lang stellte die Weichen, die mit den Belgiern der Antwerpen Six ihre Fortsetzung fand.

Anfang der 90er Jahre gelang ihm mit seinen minimalistischen Kreationen aus Kombinationen von Hightech-Stoffen wie Nylon und Gummi der weltweite Durchbruch. Schaut man sich im Archiv seine Labels, Lookbooks, Anzeigen, Bügel oder auch Kataloge an, nimmt er das Cooperate Design, das heute Firmen wie Saint Laurent haben, weit vorweg! Überhaupt gibt es nichts, egal ob Kleidungsstücke, Parfumflakons oder auch das Advertising, das man nicht heute sofort wieder benutzen könnte. Alles wirkt völlig heutig und zeitlos. Helmut Langs vermeintliche Avantgarde nahm nicht nur total die Zukunft vorweg, sondern erzeugt eine klassische Zeitlosigkeit, die man Moderne nennt.
Lang siedelte schließlich 1998 nach New York über und wurde im April 2000 als erster nicht-amerikanischer Modeschaffender in den Council of Fashion Designers of America (CFDA) aufgenommen, von welchem er 1996 den International Award erhalten hatte und 2000 als bester Herrenmode-Designer (der Verleihung blieb er fern) ausgezeichnet wurde.
In dieser Zeit präsentierte Lang seine Mode bei den Modewochen in New York. Nachdem Lang seine Kollektionen in New York Mitte 1998 kurzerhand zeitlich vor den Schauen in Mailand und Paris präsentiert hatte und der Modedesigner Calvin Klein als erster seinem Beispiel gefolgt war, wurde die New York Fashion Week, welche bis dahin immer nach den Schauen in Mailand und Paris stattgefunden hatte, 1999 permanent sechs Wochen vorverlegt und leitet seither im jährlichen Modekalender die internationalen Modenschauen ein.
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Bild: Helmut Lang

Werbeanzeigen für Helmut Lang wurden, ungewöhnlicherweise, in der Zeitschrift National Geographic geschaltet und auf den Dächern von New Yorker Taxen platziert. Er ging immer seinen eigenen Weg und zeigte seine Damen- und Herrenkollektionen in einer Schau nicht, wie alle anderen, getrennt, weil sie ganz viel miteinander zu tun hatten in ihrer Linienführung und Konsequenz. Lang wollte auch nicht nur eine Handvoll Modejournalisten in den Schauen, sondern lud Meinungsmacher und Freaks ein. Das Internet sah er als Zukunft und als seine Kollegen noch nicht mal wussten, dass es existierte, übertrug er 1998 sein erstes Defilee im Livestream.
1999 verkaufte er, um mehr expandieren zu können und um seine Düfte zu lancieren, was man als private Firma finanziell kaum stemmen kann, Anteile an Prada. 2002 holte Prada die Schauen nach Paris zurück und es kam, wie es immer kommt, wenn man seine Firma fremdbestimmen lässt, zu Disputen. 2005 stieg Lang aus und ist seitdem als freischaffender Künstler tätig.

Helmut Lang als Marke besteht noch, aber der Genius und die „Coolness“ von Helmut fehlen total. Helmut Lang hat eine ganze Generation, besonders auch in der Kreativ- und Werbebranche geprägt und unsere Sicht auf die Mode komplett verändert. Besonders seine Herrenmode erschuf ein total neues Männerbild, lange bevor Hedi Slimane die nächste Stufe der Herrenmoden Revolutionen einläutete.
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Bild: Museum für angewandte Kunst, Wien

Das Helmut Lang Archiv im MAK in Wien ist ein Ereignis für jeden Besucher und Wien ist immer eine Reise wert. Für Helmut Lang nicht nur eine große Hommage, sondern in der Präsentation auch wunderbar, um für die Mode der Zukunft als Inspiration zu dienen …

  • Gérard
    4. August 2014 at 13:39

    Lieber Peter, Du bringst mein Herz zum Blühen. Danke!

  • Manfred
    4. August 2014 at 14:21

    Schöner Artikel. Da Weden Erinnerungen wach! Hatte Lang immer gerne getragen.

  • Siegmar
    4. August 2014 at 15:22

    Ganz toller Artikel über eine “ Lichtgestalt der Mode“ Ich liebe seine Entwürfe und werde mir sicherlich die Ausstellung in Wien ansehen, wie ich schon einmal bemerkte habe ich noch 2 Helmut Lang Hosen aus 1999, in seinem grandiosen Laden in NYC gekauft.

  • jürgen
    4. August 2014 at 19:04

    ich will nach wien!

  • blomquist
    4. August 2014 at 19:41

    @ Jürgen: Ich komme mit!

  • gerold brenner
    4. August 2014 at 21:36

    merci vielmals!

  • Elke
    4. August 2014 at 22:49

    Schatz,Deine Wienreise hat sich für uns alle gelohnt ,danke!!

  • peter
    5. August 2014 at 09:40

    Danke für euer tolles Feedback!! Die Ausstellung ist dauerhaft im MAK – es werden aber einzelne Bereiche der Themen immer gewechselt. Das HL Archiv ist nur ein Teil des Gesamtkonzeptes!

  • thomash
    5. August 2014 at 14:13

    super! super! super!
    falls einen der wind mal wieder nach wien wehen sollte, steht helmut lang ganz oben auf dem besichtigungs-programm. ich werd gleich mal eines meiner wenigen stücke von ihm anziehen
    : -)

  • Monsieur_Didier
    5. August 2014 at 21:09

    …ich fand Helmut Lang damals sehr erfrischend…
    klar und leicht nach den pompösen 80ern mit sehr viel Bling und Trallala…
    was ich sehr mochte und immer noch mag, aber Lang hat den Blick wieder geöffnet und klar gemacht für einen neuen Weg…
    er war mir oft zu reduziert und zu „schlicht“,
    aber was sein nicht zu bestreitender Anteil und seine grandiose Leistung war, dass er einen völlig neuen Weg gegangen ist…
    was auch dafür spricht, dass er ganz radikal mit der Mode Schluss machte und Kunst als neuen Weg einschlug…

    …Wien steht eh auf meiner Liste…
    nun ist da ein weiteres Ziel in Wien dazugekommen…

  • Horst
    6. August 2014 at 10:45

    Wenn es mich mal nach Wien verschlagen sollte, steht es auf meiner Liste!
    Ich habe (leider) alles aus dieser Zeit, was ich von Lang hatte, verschenkt.