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New York, New York – Marc is back!

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Bilder: Marc Jacobs; PR

Die New Yorker Modewoche, die in jeder Saison den Auftakt der Frauenschauen bildet, wurde in diesem Herbst besonders erwartet, da sie sich dem Publikum öffnen wollte und das Ziel hatte, kommerzieller zu werden. Den Auftakt machte Riccardo Tisci, der die Givenchy-Schau das erste Mal von der Seine an den Hudson River verlegte und dessen Kollektion wir noch ausführlich besprechen werden – genau wie die von Shootingstar J.W. Anderson, der einer der wenigen Designer war, die wirklich Neues zeigten. Warum Kommerzialisierung Langeweile bedeuten muss, schienen sich die meisten Designer nicht zu hinterfragen. Als Resümee der New Yorker Fashionweek kann man sagen, dass – bis auf wenige Ausnahmen – in New York „außer Spesen nichts gewesen“ war. Grundsätzlich ist Kommerz nicht verwerflich und so bestimmt er mittlerweile den Alltag der meisten Modekonzerne. Auch werden in New York von jeher viele Labels gezeigt, die sich eindeutig, wie Tommy Hilfiger, Hugo Boss, Lacoste oder Gant, auch diesem Markt verschrieben haben. Man fragt sich, warum Calvin Klein nichts mehr mit Mode zu tun hat oder was sagen 25-Jährige in unserer sich verändernden Welt zu Labels wie Carolina Herrera?! Oscar de la Renta würde sich im Grabe umdrehen, wenn er, der Garant für New Yorker Eleganz, sehen würde, was mittlerweile unter seinem Namen gezeigt wird. Die Oscar de la Renta-Kollektion war ein Desaster.
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Bilder: Marc Jacobs; PR

Ashley & Mary-Kate Olsen haben bei ihrem Label „The Row“ ihren Stil gefunden, der an die Wurzeln von Donna Karan oder Jil Sander erinnert und sehr schlicht und urban die Neunziger mit ihrer Casual-Eleganz zurückbringt. Ruhig, luxuriös und eher puristisch – sicherlich etwas, was die Einkäufer gerne einteilen werden. Die Kollektionen der Schwestern sind alterslos und gelten als „Nummer Sicher“ im Verkauf der Departmentstores – Komfort und Zeitlosigkeit sei Dank. Die Farbpalette ist ruhig und basiert auf Marine, Sand, Beige und Braunnuancen. Die ungeknöpften, mit Laser geschnittenen Mäntel und Jacken sind eine Sternstunde der puren Ästhetik. Proenza Schouler zeigt hingegen Netzröcke und Diane von Furstenberg, das New Yorker Designerdenkmal, die für die Stadt steht wie kaum eine andere noch agierende Modeschöpferin, rangiert unter dem Etikett ihres eigenen, sich eh nie wandelnden Stiles.

Meist hat die Öffnung zum Kommerz vor allem die Folge, dass die Verpackung größer wird als die Inhalte. Locations und Events stellen dann die Kollektion schnell in den Schatten und täuschen über die Mittelmäßigkeit der Kollektionen hinweg.
Einer, der immer schon die große Inszenierung liebte und um den es die letzten Saisons – seit seinem Abgang bei Louis Vuitton – etwas ruhiger geworden ist, zeigte eine der schönsten Kollektionen für den nächsten Frühling: Marc Jacobs.
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Bilder: Marc Jacobs; PR

Nachdem seine „Showgirl“-Kollektion für das Haus Vuitton schon fast zwei Jahre zurückliegt und die angekündigte „Coach“-Kollektion ausblieb, scheint es fast so, als hätte Marc Jacobs ein wenig zurückgerudert, um sich auf das zu besinnen, was er wirklich kann und ihn ausmacht. Der Designer findet weniger mit freiem Oberkörper in den Schlagzeilen statt, sein Pariser Laden im Palais Royal ist längst geschlossen. Stattdessen zeigt er sich – seinem Alter entsprechend – in der Öffentlichkeit sehr klassisch. Auch seine neueste Kollektion wirkt sehr amerikanisch und wie eine Lehrstunde in Fashion History.
Man hat das Gefühl, dass Marc Jacobs die Konzentration auf sein eigenes Label gut tut und er sich in der letzten Zeit reflektiert hat.
Mit 52 Jahren weiß Marc Jacobs natürlich, wie sein Job funktioniert. Seine Kollektion ist genau das, was amerikanische Fashion ausmacht – und sie liefert auch den Grund dafür, warum es überhaupt die New York Fashion Week gibt. Sieht man von den Totallooks ab, gibt es viele Teile, die auch gut zu Jeans oder „normaler“ Kleidung wirken. Nimmt man sie vom Laufsteg runter, kann man sich die Kollektion auch gut im normalen Straßenbild oder auf Partys vorstellen …
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Bilder: Marc Jacobs; PR

Die Show war ein Liebesbrief an das, was Amerikas größte Innovation im Zwanzigsten Jahrhundert auf unsere Kultur war: der amerikanische Film und Hollywood. Das Ganze mit den U.S.-Farben gewürzt und mit den Ikonen der amerikanischen Kleidungsstücke, wie College Blouson und Trucker Jackett, kombiniert. Hinzu kam ein Mix aus den Silhouetten der Hollywood-Diven der Dreißiger wie Joan Crawford oder Rita Hayworth.
Hoffnungslos nostalgisch, versetzte Marc Jacobs die Präsentation nicht ohne Grund in das wunderschöne Ziegfeld Filmtheater, das das letzte große Kino in Manhattan ist. Schon als Kind besuchte er es ab und zu. Einst ein Musicaltheater, gab es nun die perfekte Kulisse, um das zu präsentieren, was wie mit Kinderaugen vereint alles zeigt, was Trash- und Hochkultur der Filmgeschichte ausmacht.
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Bilder: Marc Jacobs; PR

Trompeter Brian Newman und seine Band intonierten den 1973 von den New York Dolls rausgebrachten Song „Trash“ und los ging’s mit dem, was Marc Jacobs an New York liebt. Seine Showgirl-Kleider mit Volants in Stars and Stripes-Farben genau so wie „Prohibitions“-Pullunder mit Filmklappen und Kameras drauf – Cecil B. DeMille lässt grüßen!
Natürlich waren Marlenes Hose und Jacke aus „Shanghai Express“ vertreten und die Schulterpartien von Joan Crawford sowieso. Claire Mc Cardells Sailor Bluse im „American Sportswear“-Stil peppt Jacobs genauso auf, wie das Holzfällerhemd, University Sweatshirt und Baseball Blouson mit Stickern. Als Highlights gelten die Jackson Pollock-Drucke auf Seidenkleidern im Stil von Andy Warhol. Klerikale katholische Roben werden durch kontrastierende Denimstepp und applizierte Zelluloid Filmrollen gleich viel humoriger und große Panneaux-Drucke zitieren Janet Leigh in Hitchcocks Psycho. Weitere Inspirationen liefert – allerdings in Pop Art-Manier – Maria Callas in Pier Paolo Pasolinis „Medea“.
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Bilder: Marc Jacobs; PR

Ein Feuerwerk an Ideen, in dem auch immer wieder die Karos und Wurzeln des Layerlooks rausblitzen, der Marc Jacobs einst berühmt gemacht hat: Mit der „Grunge“-Kollektion für Perry Ellis, für die er letztendlich gefeuert wurde. Jacobs hat halt ein Alter, wo man sich auch selbst zitieren darf …
Eines ist er sich mit dieser Kollektion auf jeden Fall geblieben: sich treu. Er ist in New York geboren und kennt diese Stadt wie seine Westentasche. Das ist auch der Grund, warum er weiß, wovon er spricht, wenn es darum geht, eine Kollektion zu zeigen, die diese Stadt liebt. Und genau das ist es, was die New York Fashion Week eigentlich ausmacht – genau das Gegenteil von dem zu zeigen, was in Paris oder Mailand präsentiert.

Marc Jacobs Spring-Summer 2016

Auf ins Ziegfeld und Film ab mit Marc Jacobs „One Night only!“-Kollektion, wie er sie selber nennt, denn New York ist die Stadt, die niemals schläft …

  • Siegmar
    1. Oktober 2015 at 13:28

    Toller Bericht, auf den ersten Blick gefällt mir es nicht so, ich denke ich schau mir die Kollektion nochmals an.