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Modeschätze – Gianfranco Ferré debütiert bei Christian Dior 1989

Das eine Designer- und eine Richtungsänderung den französischen Traditionshäusern gut tut, zeigte uns ja gerade par excellence Raf Simons für das Haus Christian Dior. Seine Haute Couture Kollektion im Juli ist für unser Verständnis auf viel zu wenig Resonanz in der Presse gestoßen, denn was es für ein Haus bedeutet, so derartig die Richtung zu ändern und von großer Opulenz zu eher minimalistischen Tendenzen zu wechseln, empfinden wir als spannenden Prozess in der Mode und einen bewundernswerten, nicht ohne Risiko behafteten Schritt für ein Modehaus. Das hätte eigentlich eine größere Öffentlichkeit verdient.

Dass das nicht immer so war, zeigen wir heute an unserer Reihe der Modeschätze – denn nachdem Christian Dior 1957 gestorben war, gab es nach Yves Saint Laurent dem Nachfolger Diors von 1958 bis 1960 nur einen Designer, der über 29 Jahre zunächst die Haute Couture, ab den 70er Jahren auch das Prêt-à-Porter gestaltete: Marc Bohan.

Ende der 80er Jahre wirkte das Haus Dior in die Jahre gekommen und die Kollektionen waren zwar von hervorragender Handwerklichkeit, aber eher damenhaft und es fehlte an frischem Wind. Außerdem waren viele der typischen Eigenschaften, die einst das Haus Dior ausgemacht hatten, im Laufe der Jahre ein wenig abhanden gekommen. Während andere Häuser begannen besonders auf dem Gebiet der Accessoires zuzulegen, gab es bei Christian Dior kein wirkliches Item, das als Must Have galt. Natürlich hatte das Haus seine Kundinnen und viele Prominente hielten Dior die Stange – allen voran die Grimaldi Familie und viele französische Schauspielerinnen und Prominente. In Amerika war Dior nach wie vor das Label, das für französische Mode und Eleganz stand.

Dior, vor wenigen Jahren von Moët Hennessy (heute LVMH) übernommen, war auf der Suche nach einer neuen Strategie und wollte vor allem jüngere Kundinnen ansprechen. Da Mitte der 80er Jahre die Konkurrenz aus Mailand zunahm, entschied man sich, für Franzosen damals skandalös, den Mailänder Modeschöpfer Gianfranco Ferré zu engagieren und neben seinem eigenen Label für die Haute Couture Linie und die Christian Dior Boutique Kollektion zum Creativ Direktor zu berufen.

Die Gazetten standen Kopf und die erste Kollektion, die Anfang Juli 1989 präsentiert werden sollte, wurde mit großer Ungeduld und Spekulation erwartet. Vogue und Harper’s Bazaar berichteten in großen, mehrseitigen Berichten über die ersten Schritte im Haus Dior. Unzählige Ferré Porträts erschienen und jeder versuchte Details oder erste Eindrücke von dem was da kam herauszubekommen. Kontoverse Diskussionen wurden geführt, ob man neben seiner eigenen Linie auch noch die Arbeit für so ein Haus übernehmen könne und ein Italiener bei Dior, so etwas hatte die Welt noch nicht gesehen…
Der Tag der Präsentation rückte näher und das erste Defillé im großen Couture Salon in der Avenue Montaigne erwartete die Crème de la Crème der Modejournalisten: John Fairchild von WWD, Polly Allen Mellen von Allure, Suzy Menkes, Grace Coddington – alle waren da. Ferré’s erste Kollektion war eine Hommage an Cecil Beaton, einem Freund und Weggefährten von Gründer Dior und dem Thema „Ascot“ Eleganz, natürlich ganz wie ein Italiener es sich vorstellte wurde in großer Opulenz gezeigt. Ganz der Tradition von Dior folgend, hatten die Modelle Namen wie Silence, Match, Rondo, Vivace Crateré und Vesuv. Beaton hatte auch die Kostüme für den Film „My Fair Lady“ geschaffen und eben das war Ferrés Inspiration.

Die Abendkleider waren orientiert an den großen Abendroben, die Dior 1955 gezeigt hatte, romantisch und mit unzähligen Blumenstickereien, Spitzen Inkrustationen und an Ballkleider erinnernd aus dem Film „Il Gattopardo“ von Visconti.
Ferré wurde frenetisch gefeiert und man befand, dass er die Feuertaufe für Dior bestanden hatte. Die Pressemappe dieser Kollektion zeigte neben Photos und dem Ablauf die Original-Zeichnungen von Ferré, der für seine fast architektonische Strenge und den Aufbau seiner Kreationen bekannt war. In einigen Zeichnungen verwandte er sogar Stoffe und Spitzen und mengte sie zu einer Art Collage.

Acht Jahre später hatte sich die Welt weiter nach Osten geöffnet und die Märkte der französischen Luxushäuser begannen, sich für eine neue Kundschaft zu wappnen. Bei Dior stand wieder ein Wechsel vor der Tür und John Galliano übernahm die Regie.
Unter Ferré wurden so grundlegende Bausteine wie die Erfindung der „Lady Dior“ gelegt und das Haus bekam ein wesentlich jüngeres Image. Wir zeigen hier Originale, wie alles begann.

Vor allem aber zeigte das Haus Dior, dass es sich immer wieder neu erfinden konnte. Und deswegen freuen wir uns besonders darauf, was Raf Simons auf der Grundlage, die er mit seiner Haute Couture für Winter 2012 und seiner Frühjahr/Sommer Kollektion 2013 gelegt hat, aufbaut. Inspirationen gibt es bei Dior genug und daraus eine Modernität zu kreieren ist sicherlich ein spannendes Abenteuer. Vielleicht lässt er sich ja anregen von einem der tollen Modeschätze aus den Dior-Archiven.

  • Martin
    17. Oktober 2012 at 14:51

    Ein Modeschatz zum verlieben!!

    look-scout.blogspot.com/

  • Renate
    17. Oktober 2012 at 15:00

    Wieder ein wundervoller Artikel mit bezaubernden Bilder lieber Peter!

  • Siegmar
    17. Oktober 2012 at 15:11

    q Peter

    das du bei all deinen Job immer wieder Zeit findest für unser Leser so schöne Artikel zu schreiben ist wirklich toll, danke! 🙂

  • Horst
    17. Oktober 2012 at 18:01

    Super, großartige Hommage an Ferré für Dior und siehe da: es gab eine (sehr schöne) Zeit vor Galliano!