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Modenachwuchsförderung

Jungs werden Astronauten oder Handwerker, Mädchen werden Hausfrau oder wenn es gut läuft Prinzessin. So war das damals – in den gängigen Kinderbüchern meiner Kindheit wurde dieses Klischee oft und gerne bedient – im besten Falle gewann man sogar durch Pitje Puck erste Einblicke in den lustigen Arbeitsalltag eines Briefträgers. Das hat den Kindern nicht geschadet und auch ich fliege 30 Jahre später weder ins Weltall, installiere keine Rohre und trage auch keine Post aus – nein. Ich stehe mitten im Leben, bilde mir eine Meinung und stehe sogar dazu – das hat Pitje Puck auch immer so gemacht und dank diverser Bandenkriege habe ich gelernt, mich zu wehren und wenn ich richtig Mist gebaut hatte, bekam ich auch richtig Ärger und habe weder meine Eltern angezeigt noch ins Fernsehen gezogen. Die Mädchen hatten auch eher Jeans von Jinglers an – das hatte den Vorteil das man sich gleich vor Ort mit ihnen prügeln konnte, wenn man sie wieder zu sehr geärgert hatte.

Heutzutage ist das anders: Heute müssten die Mädchen sich erst umziehen, bevor man sich auf dem Bolzplatz kloppt, denn die Kinderklamotten sind häufig nur auf 30° waschbar und die Gefahr einer folgenden Anzeige seitens der Eltern ist groß.

Da kann das Kind nichts für – aber die Gesellschaft, die systematisch etwas weiter auseinanderklafft – denn nur 5 Stadtteile weiter sehen die Kinder in eine nicht so weichgespülte Zukunft. Da wird häufig gar nichts mehr gelesen, denn in der örtlichen Bücherei gibt es keine Bücher in deren Muttersprache und die Freizeit wird eben auf der Straße verbracht – und ganz klassisch am Modell gelernt: Der große Bruder zieht kleine Kinder ab und das Vokabular beschränkt sich auf 3 Silben: Ey Digga.

Das obige Buch ist übrigens ein weiterer Schritt in die falsche Richtung: In Kelly Florio Kasouf’s „The Super Adventures of Sophie and the City: All in a Day’s Work“ geht es um Sophie, die in ein Verlagsgebäude (Condé Nast) läuft, um ihren Vater zu besuchen und dort z.B. auf André Leon Talley trifft.
Ich habe das Buch noch nicht gelesen und man darf kein Buch ungelesen beurteilen, aber ich frage mich, ob die Moderedakteurin die Prinzessin 2.0 ist und bald im Sachkundeunterricht verschiedene Labels das Thema sind und nicht mehr die Blattsorten des heimischen Mischwaldes…

Foto via New York Mag

  • thomas
    28. Oktober 2011 at 11:40

    sehr lesenswert und sehr refelektiert für den ach so tollen modealltag

  • Daisydora
    28. Oktober 2011 at 12:03

    Dem schließe ich mich gerne an, ein typischer Horst … der ind Schwarze trifft 🙂

  • Marc
    28. Oktober 2011 at 13:54

    Ich habe es, ehrlich gesagt, noch nie verstanden, warum man seinen Kindern Designer-Kleidung verpassen muss, warum man sie künstlich älter machen muss und sie mit Sachen konfrontiert, die für ein Kind so langweilig sind, dass es scheppert. Muss man die kleinen Wesen derart indoktrinieren. Ich denke nein. Sollte man sie zum Abziehbild von sich selbst machen? Bitte nicht!

    Lang lebe Pitje Puck, der spaßige Briefträger aus Kesseldorf!

  • siegmarberlin
    28. Oktober 2011 at 14:13

    ich schließe mich Marc vollständig an, es geht nur um den Profit, was hat ein Kind davon in D&G, Dior rumzulaufen? nichts, ausser das Prestigedenken der Eltern.

  • plop runner
    28. Oktober 2011 at 14:35

    das sein bestimmt das bewusstsein.- marx ODER
    was weiß der fisch über das wasser, in welchem er schwimmt – einstein.
    leider sind solche bücher eines der zahlreichen symptome unserer zeit, das zu viele leute zuviele sachen in sehr kurzer zeit mit immer den gleichen leuten in ihrem milieu veranstalten. also das buch nicht lesen und nicht lesen lassen.

  • Renate
    28. Oktober 2011 at 17:24

    Sehr schöner Text!

  • blomquist
    28. Oktober 2011 at 23:23

    100 Punkte an Marc-
    besser könnte ich es nicht beschreiben!