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Miss Dior: 1947 – Der Triumph der Weiblichkeit

Mit keinem Duft auf der Welt verbinde ich so frühe Erinnerungen, wie mit „Miss Dior“ aus dem Hause Christian Dior. Als kleiner Junge fand ich es immer besonders spannend, mich am Toilette-Tisch meiner Großmutter zu schaffen zu machen. Auf dem Tisch stand eine wunderschöne Flasche mit einer wohlriechenden Flüssigkeit darin, die es mir sofort angetan hat.

Die Flasche sah aus wie eine Empire Amphore, der Inhalt glänzte goldgelb, und wenn man den Stöpsel lockerte, kam etwas heraus, das so roch, wie meine Oma immer duftete, wenn sie ihr Taschentuch aus ihrer Handtasche zog. Natürlich war es mir eigentlich verboten, diese Flasche zu öffnen, denn, das wurde mir damals eingetrichtert, die Flasche wäre etwas Besonderes und sehr teuer!
Eine andere Aussage beeindruckte mich aber um so mehr, denn meine Oma hatte, als ich sie fragte, was das sei (wahrscheinlich aufgrund der Flaschenform), gesagt „das ist die Träne von Dior“.
Irgendwie tat mir der Mann leid und ich dachte immer daran, warum der wohl so traurig gewesen ist, dass er weinen musste … Später begriff ich natürlich, dass er gar nicht geweint hatte und lernte die wunderbare Geschichte dieses Couturiers kennen und natürlich auch die Entstehung des Duftes, der bis heute zu meinen absoluten Lieblingen zählt und der einer der weiblichsten und elegantesten seiner Art und sehr eng mit der Couture des Hauses Dior verbunden ist. Miss Dior ist trotz seines jungen Namens das Synonym für Eleganz und Stil und trägt die Pariser Avenue Montaigne in alle Welt hinaus.

Als Marcel Boussac Ende 1946 beschloss, mithilfe des Couturiers, den er von Lucien Lelong abwarb, ein Modehaus an der heute legendären Avenue Montaigne zu eröffnen, wollte er nicht nur ein bis dahin klassisches Pariser Modehaus begründen, sondern eine ganz neue Vision der Frau vermitteln. Dior, der auch schon eine Galerie betrieben hatte, engagierte seine Künstlerfreunde wie Christian Bérard, die Boutique im Erdgeschoss zu gestalten und setzte die Codes des Hauses fest. Louis XV. Möbel in „Gris Dior“-perlgrauem Dekor, mit weißen Stuckleisten abgesetzt, prägten die Salons.

Alles sollte die Kundinnen wie eine angenehme Brise des Luxus umwehen – ein Luxus, den sie so lange vermisst hatten. Christian Diors Mode sollte nicht nur toll aussehen, sondern auch einen besonderen Duft verströmen. Also kreierte er ein halbes Jahr nach der fulminanten Debüt-Kollektion, die die legendäre Harper’s Bazaar Redakteurin Carmel Snow zu dem Ausruf „That’s the new Look!“ bewegte, genau diesen Duft, der die Aura von Dior auf immer einschloss.
Völlig Abseits von den damalig gebräuchlichen Düften wollte er ein Kleid, das die Frauen sanft umhüllte und sie mit Selbstbewusstsein durch ihr Leben trug. Dior war ein Träumer, der von seiner Mutter und Schwester stets sehr geliebt und verwöhnt wurde. Genau diese „Miss Dior“ Schwester hatte Christian Dior vor Augen, als er die in einen kostbaren Flakon gehüllte Essenz auf die Reise in aller Welt schickte.

Im Dezember 1947 bat Christian Dior die Kunden und Freunde dann das erste Mal in die damals aufsehenerregenden Geschäftsräume und lancierte „Miss Dior“, ein Duft, der damals einen bis heute andauernden Siegeszug der Weiblichkeit antrat. Damit legte er den Grundstein zur Duftgeschichte des Hauses Dior, das von „Dior Dior“ über „Diorella“ bis zu „J’Adore“ immer wieder neue Trends auf dem Duftmarkt setzte.
Kein Duft ist aber so eng mit seinem Schöpfer verbunden wie „Miss Dior“, da auf der Verpackung den Lieblingsstoff des Meisters zeigte – einen schwarz-weißen Hahnentritt. Für Grace Kelly, eine der Lieblingskundinnen von Monsieur Dior, wurde sogar ein Koffer kreiert, der mehrere Flaschen ihres favorisierten Duftes enthält. Immer wieder wurde das Packaging der Zeit angepasst und so kommt „Miss Dior“ heute in einem eckigeren und moderneren Flakon daher, der der aktualisierten Linie des modernen Diors entspricht, ohne seine Weiblichkeit, Verspieltheit und Eleganz einzubüßen.

Für mich bleibt „Miss Dior“ immer der Inbegriff der Pariser Eleganz und ist ein Synonym des Esprits von Dior. So jung und beschwingt wie am ersten Tag mit dem Selbstbewusstsein und dem Bekenntnis zum Feminismus der modernen Frau. „Miss Dior“ ist einer der Meilensteine der Duftgeschichte. Ein Duft, entsprungen der Fantasie eines Mannes und der Generationen das Träumen beibrachte und den Inbegriff der Mode bildete.
Wenn ich den Duft von Paris erklären müsste, würde ich „Miss Dior“ versprühen und Christian Dior zu Ehren Maiglöckchen in einer Amphorenvase dekorieren. Ich glaube er würde es lieben …

  • monsieur_didier
    25. Oktober 2013 at 09:42

    …ach wie schön…
    ich hab als kleiner Junge auch immer die Werbung von Dior wahrgenommen, denn sie war aussergewöhnlich und wenn ich heutzutage noch Zeichnungen von René Gruau sehe muss ich reflexartig lächeln, denn sie sind für mich verbunden mit einem wohligen Gefühl…

  • Daisydora
    25. Oktober 2013 at 09:54

    Absolut wundervoll, die ganze Geschichte, und so schön erzählt … 🙂 danke, Peter!

    Solche Parfums wie Miss Dior sind Kulturgut und werden bis zum jüngsten Tag nicht verschwinden, eine sehr schöne und beruhigende Tatsache, zwischen all den schnellebigen Marketingideen …

  • Siegmar
    25. Oktober 2013 at 10:53

    sehr schöne Geschichte und natürlich ein wundervoller Duft. Mein erster selbst gekaufter Duft war “ Eau Sauvage “ von Dior und der gehört einfach im Sommer dazu und leider hat der Duft mit der Neu-Interpretation gelitten. Wie mal ein User in einem Blog über Eau Sauvage sagte:
    Ein Milchkaffee in einem Strassencafe. Blick auf den Hafen. Gemütliche Betriebsamkeit. Ruhe, Entspannung. Die Sinne schweifen lassen. Gutes für die Seele, das ist Eau Sauvage von Dior

  • Die Woche auf Horstson | Horstson
    27. Oktober 2013 at 11:48

    […] … 1) Die Woche stand ganz im Zeichen von Düften – Peter stellte die Geschichte des Klassikers “Miss Dior” vor. 2) Der Designer Peter Schmidt gab uns ein kleines Interview: Der Mann hinter dem Design! 3) […]