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Medialer Mädelsabend – Das total verkorkste Zeitalter

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Absolut irre Zeiten – nun muss sich selbst Barack Obama, angeblich der mächtigste Mann der Welt, von Aktivistinnen, Aktivisten und einer Menge Medien dafür schelten lassen, dass er Komplimente macht.
Zwar ist es in unseren so genannten modernen Zeiten Gang und gäbe, dass junge Frauen in aller Öffentlichkeit über die Form und Festigkeit männlicher Po’s herziehen, das (Un)Wort Hackfresse oder wahlweise auch Sahneschnitte gefühlte zwanzig Mal pro Nichtgedanke* benutzen, aber wehe dem Mann, der sich heute nicht so weit unter Kontrolle hat, Komplimente und ähnlichen Zuspruch zu weiblichen Attributen nicht auszusprechen. Der bekommt es neuerdings mit #aufschrei und deren „Social Media Buddies“ zu tun … und ist dann erst mal mit öffentlichem Buße tun gut beschäftigt.
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Wie verkorkst wir schon sind, ist wahrscheinlich vielen unter uns anlässlich des „Skandals“ rund um Rainer Brüderle, die Stern Journalistin Laura Himmelreich und ihren Artikel, „Der Herrenwitz“, mit dessen Veröffentlichung sie sich aber immerhin ein ganzes Jahr Zeit ließ, aufgefallen ….
Du gute Güte, sonst noch Probleme, Frau Himmelreich, war mein erster Gedanke. Und viel mehr gab der „explosive“ Artikel der Journalistin auch nicht her.
Wären da nicht Heerscharen Frauen daran gegangen, das laue Lüftchen des männlichen Ausrutschers zum Anlass zu nehmen, sich kollektiv daran zu erinnern, was ihnen durch böse und sexistische Männer im Verlauf ihres Lebens widerfuhr. Übersetzt war das so eine Art medienhysterischer Flashmob aller Frauen gegen alle Männer. Sogar Anne Will ließ sich nicht lumpen und erinnerte sich plötzlich wieder. Während ihres Volontariats wurde sie von einem Kollegen angefasst, der das auch bei andere jungen Kolleginnen tat, und setze sich zur Wehr.
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Als ich das im Magazin der Süddeutsche las und mich weder innerlich noch äußerlich mitfühlend darüber aufregen konnte, dämmerte mir schon, dass ich möglicherweise nicht ganz richtig ticke.
Ich erinnerte mich an meine (schöne) Zeit im Marketing eines französischen Kosmetikkonzerns, dessen sehr fähiger Expansionsmanager, ein etwas hemdsärmeliger aber sehr netter Kollege war, den man heute wahrscheinlich als notorischen Grabscher abmahnen, klagen und hochkant raus werfen würde. Das deshalb, weil er die Angewohnheit hatte, einen regelmäßig an Schultern oder Armen ganz federleicht und vorsichtig anzufassen oder mit der Hand und seinem langen Arm mit sich oder zu sich zu ziehen. Meistens mit einem breiten und freundliche Lächeln und den Worten: „Hättest Du denn bitte Zeit, ich würde gerne mit Dir über (dies oder das) reden.“ Und ich versichere, es ging dabei in der Tat immer um Geschäftliches und der Mann, der das auch bei anderen Kolleginnen und Kollegen tat, zählte zu den Menschen in meinem an positiven Erfahrungen reichen Berufsleben, mit denen ich trotzdem nur Gutes und tolle Zeiten verbinde.
Damit soll nicht klein geredet werden, dass schmierige Chefs ihre Auszubildenden anmachen oder ähnliches, das ich ebenso strikt wie jede Form sozialer Gewalt ablehne und dann aber, so ich davon zeitnah Kenntnis erlange, direkt aufzeige, kritisiere und wirksam bekämpfe.
Mir geht es wie anderen Kritikern von Laura Himmelreich und dem von ihr mittelbar ausgelösten #aufschrei darum, wie kontraproduktiv, durchschaubar und geradezu lächerlich es ist, wenn heute jedes Kompliment und jede flüchtige Berührung als sexuelle Belästigung, Anmache, Frechheit, Unverfrorenheit angesehen – gesellschaftlich und sozial geächtet wird.
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Klar darf jede Frau (und jeder Mann!!) die Grenzen dort ziehen, wo für sie Sexismus beginnt.
Aber woher wollen all die aufgeregten Kritikerinnen und Mahnerinnen wissen, ob ich nicht selbst schon mein ganzes Leben lang viel besser dazu in der Lage bin, mit Männern so umzugehen, dass meine Grenzen, noch nie missachtet wurden? Ich möchte weder von Alice Schwarzer noch von Anne Wizorek’s #aufschrei oder Laura Himmelreich damit bevormundet werden, dass angeblich alle Frauen diese schlechten Erfahrungen mit Männern machen.
Ich nicht und sie anscheinend auch und andere Frauen, die ich kenne, auch nicht!
Ist das wirklich purer Zufall, oder kann man selbst einiges dazu tun, sowohl nonverbal als auch mit Worten unmissverständlich mit Männern zu kommunizieren, ohne aggressiv, patzig, überempfindlich, verächtlich, demütigend, herabwürdigend zu werden und damit den Nährboden für Respektlosigkeiten mit zu verursachen?
Ich weiß es nicht, vermute aber, man kann sich abgrenzen, ohne permanent die Moralkeule zu schwingen, es wird aber auch immer Männer geben, die den Schuss nicht gehört haben und Grenzen, die klar erkennbar sind, mit Absicht überschreiten, weil es immer noch vielen Frauen schwer fällt, sich in der Situation sofort mit den geeigneten Worten zu wehren.
Allen anderen, denen es um billige Aufmerksamkeit geht, nur noch dies: Wie anstrengend muss das sein, wenn man wirklich bereits bei jeder Berührung am Arm zusammenzuckt und sich empört? Wenn man hinter jedem allzu flammend vorgetragenen Kompliment Böses vermutet … sich aber auf der anderen Seite mit Freundinnen total sexistisch und vulgär über Männer-Po’s und andere Körperteile genüsslich im Café, für alle Männer und Frauen gut hörbar, ausbreitet und „Mädelsabende“ schon seit Jahren mit Sex and the City feiert …
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Das wäre mir viel zu kopfig, krampfig anstrengend und beinahe schon ungesund „unkörperlich“. So wichtig kann ich mich gar nicht nehmen und ich vermute mal, es wollten in der Tat nicht alle Männer (oh Gott: und Frauen) auf direktem Wege Sex mit mir haben, die mich ohne vorher nachzudenken, geschweige denn nachzufragen, berührt haben.
Einen Gegen #aufschrei kann und will ich damit nicht anzetteln. Wer denken kann und mündig ist, weiß ohnehin, was Sache ist. Männlein oder Weiblein. Niemand muss sich am Arbeitsplatz oder sonst wo sexuell anmachen lassen. Davor schützen Gesetze und Gerichte, schon etwas länger, als es #aufschrei gibt und Laura Himmelreich über Rainer Brüderle schreibt.

Aber ganz ohne locker experimentelle und manchmal eben leider auch fehlerhafte Kommunikation zwischen Männern und Frauen und Frauen und Männern, dürften wir geschlechter- und beziehungstechnisch bald auch ratlos aus der Wäsche gucken, Mädels. Und kehrt bitte zwischendurch auch mal vor der eigenen Türe.

Bilder: HBO und Sex an the City, Movies,
*das Wort Nichtgedanke ist eine Anleihe bei Oliver Kalkofe

  • Siegmar
    10. April 2013 at 15:16

    der Artikel ist auf den Punkt gebracht, bin jetzt aber sehr auf die Reaktion gespannt. Mein Eindruck ist eh, das zur Zeit mangels Themen alles unendlich aufgeplustert wird, ich will damit nicht wirkliche Tätlichkeiten klein reden, es gibt trotzdem oft den Beigeschmack, “ die jetzt auch noch „

  • Julia
    10. April 2013 at 16:51

    Danke, danke, danke für den tollen Bericht! Diese völlige Humorlosigkeit, mit der zur Zeit an einer Ersatzmoral gebastelt wird, geht einem einfach nur noch auf die Nerven. Als hätte niemand mehr einen gesunden Menschenverstand, dem es ihm oder ihr erlaubt, sich vernünftig zu verhalten.
    Daß die nörgelnden Damen wohl auch nicht glücklicher wären, würden sie von den entsprechenden Herren komplett ignoriert, wurde in diesem Zusammenhang schon oft erwähnt, ich tu’s jetzt aus Trotz noch einmal.
    Und zu „Sex and the City“: das Erfrischende an der Serie ist, zumindest in den frühen Folgen, der Humor, es geht ja nicht NUR ums Shoppen. Das sollten sich die „Mädels“ mal bewusst machen. 🙂
    Mit den allerbesten Grüßen,
    Julia

  • Monsieur_Didier
    10. April 2013 at 18:19

    …ich mache immer total gerne Komplimente und wenn da jedesmal eine „Absicht“ hinter stünde fänd ich das total blöde…

    die bzw. der mit Komplimenten beschenkte kann ja auch durchaus erwidern: …ich möchte „so etwas“ nicht hören…

    ansonsten:…Siegmar bringt es sehr gut auf den Punkt…

  • Annemarie
    10. April 2013 at 22:39

    Guter Artikel, absolute Zustimmung. Übrigens auch zu Siegmars Kommentar.

  • Martin
    11. April 2013 at 01:37

    Mir ist das Gerede auch zu viel..Themen werden scheinbar künstlich in den Medien gepusht…warum nur? Ist unsere Lobby zu schwach…

    http://www.look-scout.de

  • Kaey
    11. April 2013 at 11:51

    Ich frage mich tatsächlich: wozu jetzt noch so ein Artikel? Und schade, dass es immernoch Weiblichkeiten gibt die Sexismus bagatellisieren. Ich kenn das ja auch. Es gibt Momente da denkt man sich: is eben so, kann man nicht ändern, gehört halt dazu, hab dich nicht so zimperlich. Aber andererseits denke ich auch immer wieder, es ist etwas anderes mit meinen Mädels bei einem Mädelsabend Männer lauthals zu subjektivieren. Denn der unterschied in unserer patriachalen Gesellschaftsstruktur ist doch, dass Männer Frauen schon immer zum Subjekt machen und das um ihre Macht zu demonstrieren. Da geht es nicht darum jemandem ein Kompliment zu machen oder jemanden den man sympathisch finden am Arm zu berühren wenn man mit ihm kommuniziert. Wer das vergleicht hat die ganze Debatte nicht kapiert. Letztendlich kann man Dinge nur ändern indem man sie auch anspricht bis Alle einen Brechreiz bekommen, damit es jeder letzte Honk auch langsam mal kapiert, dass es einen Unterschied macht ob man mich antatscht oder mir ein respektvolles Kompliment macht. Vielleicht ist meine Wahrnehmung als Trans*frau da auch geschärfter. Denn die Diskriminierung die ich tagtäglich erlebe ergibt sich aus dem Unverständnis einer patriachalen Gesellschaft wie ich freiwillig meine männlichen Privilegien aufgebe um als minderwertige Frau zu leben.

  • Daisydora
    11. April 2013 at 12:30

    @Kaey

    Es zählt zum Wesen dieses Blogs, dass wir solche Themen auch medial antyzyklisch auf die Agenda zu setzen. Wir sind kein Schnulliblog der sich nur dann aufregt, wenn sich gerade alle aufregen. Unseren Lesern wäre das auch zu simpel gewesen, nur über Brüderle, Himmelreich und #aufschrei zu berichten und ich fand die Aufregung rund um Obamas Kompliment an die Obertstaatsanwältin dann eben viel interessanter.

    Und mir als Schreiberin und Frau ist das auch zu simpel gedacht.

    Es tut mir leid für Dich, dass Du diese Erfahrungen gemacht hast, aber versuche bitte hier nicht durch die Hintertüre, zu suggerieren, mir mangelte es möglicherweise an Sensibilität für das Problem oder an Mut oder ich hätte diesbezüglich ein Phlegma, das verhindert, dass ich normal reagiere.

    Ich lege generelll weit überdurchschnittlichen Wert auf einwandfreie Umgangsformen und einen tadellosen Umgangston (davon wissen zum Beispiel Menschen ein Lied zu singen, bei denen jedes dritte Wort Schei… ist). Ohne Wenn und Aber. Und ich kommuniziere zwar freundlich und unagressiv aber unmißverständlich darüber, was ich akzeptiere und ablehne. Und Du musst es Dir an dieser Stelle leider sagen lassen, dass ich daran glaube, mit dem Versuch, nett zu kommunzieren und Grenzgänge nett zu kommentieren, sorgeich selbst dafür, dass man mir eben nicht respektlos begegnet. Und ich schieße mich auch nicht bei jedem nicht so geglückten Kompliment, ohne das ich auch glücklich geblieben wäre, gleich ins Knie …..

    Aber mir merkt man auch an, dass ich sofort Anzeige erstatten würde, wenn jemand eine Sraftat gegen Frau oder Mann begeht. Kompromisslos und ohne große Vorrede.

    Kurzum: Ich weiß, wie Kommunikation funktioniert und das hilft dabei, immer respektvoll behandelt zu werden. Zumindest mir.

    Mädelsabende sind mir ein Greuel, ich hasse jedwede Stereotype und vulgäre Gespräche sowieso. Und für mich gibt es zwischen männlichem und weiblichem Seximus auch keinen qualitativen Unterschied. Ich lehne beide Formen ab.

    Daisy

  • Daisydora
    11. April 2013 at 12:49

    @Siegmar

    Dankeschön. Auf weitere Reaktionen und Ggenreaktionen bin ich auch gespannt. Mir war ja klar, dass man mich auch in die Ecke der Verharmloserinnen stellen wollen wird. Aber ich schreibe hier ja nicht das, was „mit den Wölfen geheult werden könnte …..“ … wie du ohnehin nur zu gut weisst 😉

    @Julia

    Vielen Dank auch Dir. Gespräche mit Frauen die ich sehr gut kenne, haben mich erst vollkommen scher darin gemacht, dass keinswegs alle Frauen den Beistand von #aufschrei, Alice Schwarzer (deren Verdienste ich anerkenne)und Koleginnen brauchen oder wollen.

    Ich habe auch schon mal in Sex and the city reingeguckt, ist ja auch nichts dabei, eine Lieblingsserie hätte das trotz der Klamotten nie werde könnne, da mich Stereotype schon als Kind schnell gelangweilt haben. Das ist glaube ich genetisch 🙂

    Liebe Grüße

    Daisy

    @Monsieur_Didier

    Das haben wir dann also auch gemeinsam 😉 … finde auch, dass es Siegmar auf den Punkt bringt. Was kommt denn am Ende an konkreten Ergebnissen bei alls em #aufschrei heraus?

    Awareness und Popularität für Fau Wizorek!

    @Annemarie

    Dnkeschön auch Dir. Ich wusse ja, dass es euch da draussen gibt 🙂

    @Martin

    Ganz sicher lässt sich sowas gut und ohne großen aufwand von allen Medien verwursten und zum Glück kam dann ja auch noch dieser Social Media Hype dazu …. da reicht es dann, die #aufschrei(e) zu zählen und mit deren Zahl zu argumenteren, ohne wirklich an Probleme in der Kommunikation und dem Umgang zwischen Männern und Frauen heranzugehen.

  • Horstson » Blog Archiv » Die Woche auf Horstson
    14. April 2013 at 12:19

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