Paris Fashion Week

Macht Haute Couture von Raf Simons schön oder sollte man dafür besser so schön wie Marion Cotillard sein?

Im Angesicht von so viel Luxus, Handwerkskunst und edelsten Materialien und der Couture-Legende Dior eine irritierende Frage, das ist mir klar. Am Ende macht sie aber doch Sinn, zumindest bezogen auf einige der futuristischen Ideen des noch immer relativ neuen Akteurs im Haute Couture Business.
Der Reflex, darüber zu schreiben, setzte bei mir in dem Moment ein, als ich die relativ große Schar nicht eben Couture geeigneter Models in der Couture-Show sah, denen neben der Eleganz auch das gewisse Quäntchen Persönlichkeit und die Affinität zu diesem exquisiten Segment der Mode fehlt. Wegen dieser Presenter habe ich mich gefragt, ob es nur diese seltsamen Mädchen sind, oder, ob ich auch an der Kollektion Kritik üben könnte (mir ist klar, dass ich die Maus bin, die sich da möglicherweise mit einem Mammut anlegt).

Ganz wohl ist mir nicht dabei, hier Kritik zu platzieren, weil ich größtenteils die Einschätzung teile, die mein Schreiberkollege Peter in seinem wunderbaren Bericht „Granvilles Blütenträume – Chrstian Dior Haute Couture Sommer 2013“ kundgetan hat. Das Video habe ich nun zirka zehn Mal angeguckt und muss gestehen, dass die Bewegtbild-Version der Modelle bei mir etwas besser wegkommt, als die einzelnen Couture-Teile auf Fotos.

Aber schaut erst mal selbst, falls ihr die Schau noch nicht gesehen habt.

Zu des Pudels Kern: Ich bin ein absoluter Fan der Idee, die Haute Couture bei aller Tradition der Handwerkskunst zu modernisieren. Neben all den opulent-duftigen Blütenträumen und kunstvoll drapierten und bestickten Roben, Kostümen, Kleidern und Mänteln ist jede Menge kreativer Raum für futuristische Ideen zur Couture des 21. Jahrhunderts. Und Raf Simons halte ich an sich für einen ambitionierten Erneuerer. Nur wollen auch diese kostbaren Einfälle so präsentiert sein, dass der Funke – bei der alten Kundschaft und der ganz sicher großen Zahl neuer und jüngerer Kundinnen – überspringt.

Und daher verstehe ich nicht, weshalb sich die Couture-Kundin neueren und älteren Zugehörigkeits-Datums zum elitären Zirkel bei Christian Dior in eigens alienesk hässlich zurechtgemachten – nur zum kleinsten Teil der großen Truppe auch guten und Couture-geeigneten – Models spiegeln soll. Eigentlich sollte doch jedes Kleid oder was auch immer für sich genommen außerordentlich gelungen sein und unsere allergrößten Begehrlichkeiten wecken. Wozu dieser Effekt einer nicht eben schön machenden Maquillage – frage ich, auch wenn Peter uns das ganz großartig erklären konnte, wie das gemeint war.

Lieber Peter, vielleicht kannst Du mir ja auch erklären, weshalb keines der alienesk verfremdeten Models für Dior wirbt, sondern, ganz goldrichtig, Marion Cotillard als Markenbotschaftern und Blueprint einer modernen Dior Frau unterwegs ist. Vielleicht bin ich ja hoffnungslos old fashioned, aber ich will das tolle Zitronengelbe Abendkleid auf jeden Fall an der wunderschönen Marion Cotillard sehen … Was sagt ihr dazu?
diordior (2)
Bilder: style.com

Meine Zukunftsvision von umwerfend gelungener, moderner Couture aus dem Hause Christian Dior könnte man auch an ungeschminkten Models zeigen, so kraftvoll könnte sich die schöpferische Idee des Couturiers gegen alle Stylingdetails durchsetzen. Ich fand die Glitzersteinchen-Lippen jedenfalls weder schön, noch originell, aber sehr störend im Sinne einer Ablenkung vom Wesentlichen. Total daneben, könnte man auch sagen.

Warum so ein aufgesetzter „Wannbe-extraordinary-creative-Look“, der selbst wunderschöne und superelegante Models wie Vlada Roslyakova und Bette Franke bis zur Unkenntlichkeit verfremdet hat. Aber immerhin stammt der „Aliens are back in Couture-Look“ aus der wirklich kreativen Hand und Schmiede der bestendior (3) Make-Up Frau der Welt: Pat McGrath. Sie hat die Crystal Lips für Raf kreiert. Swarovski wird’s bestimmt gefreut haben.
Die Pixie Wigs aus der Hand von Guido Palau sind auch völlig überflüssig. Das hat man bei Mädels auf der Straße schon viel besser gesehen. Daran ändert auch nicht, dass Raf Simons wie immer eine fantastische Gebrauchsanleitung zum besseren Verständnis der Idee hatte: Inspirationsquellen für die neue Dior Couture-Frau sind auch Audrey Hepburn (da guckt ihr, oder?) und Janet Leigh in Psycho, die aber in meinem Bildergedächtnis auch irgendwie viel besser aussah. O-Ton Raf Simons: A woman who dares to be different. Ahso!
Man darf das ja nicht sagen, weil Raf Simons in der Branche langsam zu so einer Art Papst erhoben wird, aber ich nehme mir hier die Freiheit, in einem Absatz etwas zu dieser zweiten Couture-Kollektion zu schreiben: Ihm sind einige Kleider und Hosenanzüge, mit perfekten Proportionen und sehr schönen, modernen Details, sehr gut gelungen, es ist aber auch noch total unausgereiftes Couture-Design drunter, das ich mir nicht unter Christian Dior Haute-Couture vorstelle. Manches wirkt noch wie nur angedacht, dann aber nicht wirklich fertig geworden. Und ich weiß, das ist ein Sakrileg, das zu schreiben.

Wenn aber, ein Kleid, das so viel Geld kostet, schon an Models, die in Größe 34 vom Zehnmeter-Turm hinein springen können, irgendwie suboptimale Proportionen macht, ja dann … und die verzweifelt-gelangweilten Model-Gesichter möchte ich auch in keiner weiteren Dior Couture Schau sehen.

In der wirklichen Welt der Dior-Couture-Salonkundin, wird das was im Defilée für mich noch holprig war aber keine Rolle spielen. Da ohnehin alles so lange perfekt dem Körper der Kundin angepasst wird und – zumindest meiner Einschätzung nach – viele der Modelle auch in abgewandelter Form an den Kundinnen zu sehen sein werden.

Ich denke, wir Modeverrückten haben über Jahre und Jahrzehnte gelernt, dass in Christian Dior auch immer Christian Dior drinsteckt, eine der Markenlegenden aus der Mode und der Couture. Dieser Legende kann es gut tun, dass ein radikaler Erneuerer wie Raf Simons dran gegangen ist, umzustoßen, dass Couture immer dem Gebot der Gefälligkeit und des reichen und unnachahmlich eleganten Lady-Looks folgen muss …

Aber auch Papst Raf, I., wird nichts daran ändern, dass Frauen in Couture Kleidern in erster Linie wunderschön sein und bewundert werden wollen. Auch von den nach Eleganz und Schönheit suchenden Männern, die diesen Zauber manchmal noch bezahlen … oder?

Das Beste zum Schluss: Natürlich liebe ich Christian Dior!!! Mit und ohne Maiglöckchen bin ich ganz Diorissimo!

Und wie! Schon seit ich über Mode nachdenke und das hat früh begonnen. Daran ist auch Mutti schuld. Und ich mache mir gerade so meine Gedanken darüber, ob ich mit meiner Kritik ungefähr richtig liege, oder nur beleidigte Leberwurst bin, weil Dior nun nicht mehr so aussieht, wie ich den typischen Dior Look schon als Kind und Teenager kannte.

Sagt ihr mir bitte, liebe Leser und lieber Peter, brauche ich nur etwas Starthilfe in die modernen Zeiten, oder, hat Raf Simons tatsächlich noch etwas Luft nach oben? Muss man für moderne Couture so schön wie Marion Cotillard sein? Ich war selten so gespannt …

  • Siegmar
    21. Februar 2013 at 12:03

    die Kollektion finde ich schon gelungen und Raf Simons hat Dior im guten Sinn auch moderner gemacht. Bei Galliano was es üppigste Pracht ( die ich auch toll fand ) Simons gefällt mir besser. Im Bezug auf die Models und deren Styling stimme ich Dir absolut zu.

  • peter
    21. Februar 2013 at 12:52

    Natürlich sieht eine „natürliche“ Frau tausend mal besser aus als Nude Models in couture.Sicherlich werden übersteigerte Stylings dafür eingesetzt den Tenor der Kollektion zu betonen aber auch die Chanel Couture Kundin läuft ja nicht zwangsläufig mit dem Federpuschel auf dem Kopf herum.Wahrscheinlich sollen diese Stylings den Whow Effekt vergrössern.Für mich zählen die Kleider!!!

  • Martin
    22. Februar 2013 at 04:44

    Ich liebe die Kollektion! Modernisierung ja, aber ich bin der Meinung, dass Haute Couture auch ein Stück Geschichte transportiert und dies nicht ganz verlieren darf! Ralf Simons schlug den richtigen Weg ein!!

    http://www.look-scout.de

  • Monsieur_Didier
    22. Februar 2013 at 09:21

    …ich kann Deine Überlegungen sehr gut nachvollziehen…
    ich mag Raf Simons ja sehr und bei Jil Sander fand ich ihn unglaublich gut, total auf den Punkt und genau den richtigen…
    sogar „richtiger“ und „passender“ als jetzt erneut die Namensgeberin…
    und was ich an John Galliano so mochte war, dass er es schafft mich beim betrachten seiner Phantasien für Dior zu elektrisieren und begeistern…
    ich wähnte mich bei seinen Schauen immer an den Hof von Versailles versetzt…
    jaja, ich weiß, viele sehen das anders, und es ist eine Änderung in der Ausrichtung, die einfach Fakt ist…
    soweit, so gut, aber ich kann sehr gut nachvollziehen was Dir durch den Kopf geht…
    nicht jede Entscheidung eines Künstlers (und das ist Raf Simons einfach für mich) muss die perfekte sein…
    die Glitter-Lippen finde ich auch sehr seltsam, aber was solls, es gibt wirklich „schlimmere“ Dinge…
    ich bin auf jeden Fall davon überzeugt, dass wir noch viele tolle Kollektionen zu sehen bekommen und dass es auch zu Steigerungen geben wird…

    (…und vermisse John Galliano sehr, wann wird er wieder mit einer eigenständigen Kollektion auf dem Laufsteg erscheinen??? )

  • Monsieur_Didier
    22. Februar 2013 at 09:28

    …ach ja, ergänzend fiel mir noch ein:
    …es ist schon klar, dass die Designer ja nicht alle Stücke selbst entwerfen. Sie geben die Idee, begleiten ihrer Ausarbeitung, nehmen die Endaufstellung ab etc.
    Aber inzwischen müssen sie so viele Kollektionen betreuen und die Verträge sind bestimmt sehr hart und fordernd…
    ich denke, da sind dann auch einige Modelle dabei, die einfach nicht supergelungen sind…
    wenn ich daran denke wie Alexander McQueen kritisiert wurde für seine Givenchy Haute Couture…

    oder Claude Montana für seine erste Lanvin Kollektion…

  • Siegmar
    22. Februar 2013 at 12:09

    stimmt Montana war ja mal kurzfristig bei Lanvin, Montana war ganz toll und ich besitze heute noch einen traumhaften Pulli von ihm aus den 90 zigern.

  • peter
    22. Februar 2013 at 13:29

    @Siegmar
    solltest du den mal aussortieren, schick den bitte nach Hamburg in mein Archiv :-))))

  • Siegmar
    22. Februar 2013 at 14:42

    mache ich gerne 🙂

  • Horstson » Blog Archiv » Shadows of Fall – Prada Women’s Collection Fall Winter 2013
    23. Februar 2013 at 10:11

    […] möchte mir aber noch eine persönliche Bemerkung erlauben, etwas, was meine Kollegin Daisy ja in dieser Woche auch schon etwas verwunderte: Warum muss eine gelungene Kollektion durch Styling der Art entstellt werden. Die Frisuren, wenn […]

  • Daisydora
    23. Februar 2013 at 17:08

    @siegmar

    Ganz offenbar verstehst Du die Kollektion besser als ich. Zum Glück für Dior. Ich bin neugierig, in welche Richtung sich das weiter entwickelt und wann das erste R.Simons-Couture-Kleid kommt, das ich auch gerne hätte … Obwohl, das Zitronengelbe finde ich an Mme. Cotillard toll … und wahrscheinlich habe ich eine vollkommen überalterte Vorstellung von Couture. Ich fand die superkomplizierten und stets perfekte Proportionen herstellnden Outfits aus der Galliano Zeit unübertroffen schön. 🙂

    @peter

    Dir fällt ja immer das Richtige ein, lieber Peter. Klar sind das Attraction getter, aber die Kundin spiegelt sich auch in den Presentern …. und da verstehe ichnicht, weshalb sich die Dior-Couture-Kundin in hässlicher gemachten Models spiegeln muss/soll.

    Kollektionstechnisch bin ich sehr gespannt, wie es weitergeht, bisher ist mir das noch zu gleichförmig und nur zum Teil wirklich spektakulär, exzellent, usw….. 🙂

    @Martin

    Nicht bezogen auf Deinen guten Kommentar zur Kollektion habe ich manchmal das Gefühl, dass das mit dem Zuschreiben des Attributs, Raf Simons, der Modernisierer schlechthin, schon sowas wie ein Reflex ist ….

    Das gab es (ohne Couture-Kollektion) auch jahrelang bei Helmut Lang, auch in Saisons, in denen mal schlechtere Kollektionen gezeigt wurden, mit denne sich Lang nur selbst durchdekliniert hat … wir werden sehen …

    🙂

    @Monsieur_Didier

    was für ein salomonisches Urteil, sehr gelungen, Monsieur … klar erwarte auch ich noch viele wirklich tolle Couture-Kleider, und so weiter, der Mann kann ja was. Ich wollte wirklich nur festhalten, dass man an seinen beiden ersten Kollektionen einfach noch merkt, dass Couture einfach ganz anders funktioniert, auch eine moderne Auffassung davon, und, dass Raf Simons da noch auf einem Weg ist ….

    Und klar gab es auch schon andere Beispiele für Couture-Kollektionen, die erst mal unverständlich waren … ob da wirklich ein namenloser Designer mit Raf Simons an den Couture-Entwürfen gearbeitet hat, schon möglich…. aber das sieht da, wo es verkorkst wirkt, schon sehr nach seiner Auffassung aus …. hmmm … vielleicht weiss Peter ja, wie das läuft… 🙂

    An Montana bei Lanvin kann ich mich auch noch erinnern, ich mochte ihn ja, zu seiner Zeit, immer sehr …. wie siegmar so richtig feststellte, da gab es für auch für Männer immer absolute Highlights … 🙂

  • Eveline
    23. Februar 2013 at 19:10

    Die Kollektion fand ich wunderschön, aber da gebe ich dir absolut recht, das Styling war einfach nur daneben. Perücken funktionieren nie, ich dachte, das wäre inzwischen auch in der letzten Reihe angekommen.
    Und bei den Models waren tatsächlich einige Kleiderbügel dabei (sowohl Ausstrahlung als auch Figur betreffend).
    Daisy, was hältst du eigentlich von Mackenzie Drazan? Über sie wird ja kaum gesprochen, obwohl sie fast überall mitläuft.

  • Daisydora
    24. Februar 2013 at 10:15

    @Eveline

    Du hast die Kollektion also auch verstanden 😉 und ich werde hier langsam zur Minderheit ….

    Mackenzie Drazans Gesicht ist sehr fein geschnitten – sie gefällt mir gut, hat nur manchmal den Gesichtsaudruck nicht unter Kontrolle … (um den Mund herum, speziell, wenn das Make-Up komisch ist) und das ist das Wichtigste bei Models …. ihren Typ mag ich von der Richtung her sehr gerne 🙂

  • Dani
    26. Februar 2013 at 22:39

    Liebe Daisydora,

    keine Angst, ich bin auch ganz auf Deiner Seite und wünsche mir die traumhaften Versailles-Roben von John Galliano zurück…

    Herzlichst,
    Dani