Allgemein

Kopfüber in die Zuckerwatte…

… gaaaaaaaanz weich fallen und ringsherum alles zuckersüüüüüüüüß …

Bis vor kurzem hätte ich auf die Frage, was denn heutige Teenage-Dreams sind noch geantwortet: Ständig frisch verliebt und auf dem Weg – und da gibt es noch den süßen Titel der noch viel süßeren Katy Perry. Aber man lernt ja gern dazu. So hat Daisy als facebookerin in der Gruppe BloggerInnen erfahren, was in Teenager-Träumen heute an- scheinend immer häufiger irrlichtert. Es begann damit, dass ein Blogger-Innovator auf seinem einschlägigen Blog „One Guy. One Hater“ in der Rubrik „Shame Of The Week“ infrage stellte, ob es denn gut sei, dass die erst fünfzehnjährige Bloggerin Laura ihren Blog „The Limits Of Control“ als Plattform der nicht ganz alters- und entwicklungsstandgemäßen Selbstdarstellung als Lolita vom Dienst nutzt; mit zum Beispiel siebzehn Fotos von sich in einem an sich hübschen Zara Kleid, zuerst an die Wand gelehnt, dann räkelt sich Laura mit kunstvoll zerwuschelter BedHead-Mähne und immer noch im selben Kleid im Bett… oder aber, Laura zeigt sich gleich nur in Wäsche und schwarzen Stay Ups mit Schlafzimmerblick und geschürzten Lippen*. Für Daisy war das also ganz klar eine legitime Frage des Hater-Bloggers, da Fünfzehnjährige laut Gesetz ja noch Schutzbefohlene sind. Oder wurde das Gesetz etwa abgeschafft?

Man könnte über diesen Bericht mit Argumenten und Gegenargumenten ganz normal diskutieren, wenn unter den BloggerInnen nicht immer welche wären, deren Überforderung einem Thema und anderen Gedanken zu folgen dadurch camoufliert werden soll, dass patzige Bemerkungen und Behauptungen zur Sache mit anwachsender Schlagzahl an die Stelle von Argumenten treten. Dabei kommt dann einerseits Nichts heraus und anderseits wird man Zeuge kafkaesker Dialoge. Damit ihr versteht, was damit gemeint ist, folgendes: Besagte BloggerIn Laura im schulpflichtigen Alter zählte während der MBFWB zu den eingeladenen Gästen einiger Fashion Shows, was sie naturgemäß stolz wie Oskar auf dem Blog verkündete. Es ging aber nicht um ein nettes Teeanger Meet & Greet mit Models und Designern, sondern, das Mädchen saß im Publikum. Dort, wo – wie selbst jeder modeinteressierte Laie weiß – bei Prét à porter Schauen Einkäufer und Presse sitzen; und zwar aus dem Grund, weil diese Schauen schon seit ihrer Erfindung weltweit als Orderpromotion und Verkaufsförderungsaktion beim Modehandel gedacht sind. Andernfalls lohnte der hohe Aufwand auch nicht. Man sollte meinen, auf diesen Fakt in einem Fachforum der ModebloggerInnen erst gar nicht hinweisen zu müssen. Muss man aber schon. Ein Teil der Blogger scheint sich seine Bedeutung für das globale Modebusiness zuerst zu erfinden und will damit dann ertrotzen will, kraft dieser, unbedingt Zeuge der Schauen sein zu müssen. Man weigert sich, zur Kenntnis zu nehmen, dass wahr ist, was nun mal wahr ist.

Niemand in der Wirtschaft wäre so doof und würde mehrere Millionen Euro und jede Menge Manpower-Aufwand obendrauf in Prét à Porter Präsentationen stecken, um Teenagern und anderen Verbrauchern die Freude zu machen, auch mal bei sowas dabei sein zu können – und, das Argument kam auch, zu lernen und sich weiter zu bilden, den noch unsicheren oder einfach nicht guten Geschmack so peu à peu zu verbessern. Anderswo, im wirklichen Leben außerhalb von Modeblogs hätte man das mit einem Satz erledigt und könnte sich dem weiter denken widmen. Aber hier, mühsam nährt sich das Eichhörnchen….. Das Teenager Thema im Kontext mit dem Bloggen fand ich dann doch sehr interessant.

Ich mag Teenager und junge Leute. Schaffe es in der Regel sehr leicht, gut mit ihnen klarzukommen. Dass ich den richtigen Beruf habe und manchmal die besten Chucks trage, hilft vielleicht ein wenig dabei. Die Frage, die ich mir stelle, ist die: Hilft es der Entwicklung, wenn eine Fünfzehnjährige all das auf ihrem Blog veröffentlichen kann und gewinnt sie dazu, wenn sie als Teil der FashionBizzCrowd fühlen darf? Ich glaube, das kann gut gehen, kann aber auch verdammt schief gehen und man weiß es vorher nicht, welches von beiden Ergebnissen eintreffen wird.

Nicht überall lauern Gefahren, wenn Mädchen sich auf ihren Blogs als Lolitas zeigen, aber überflüssig ist das trotzdem. Natürlich ist das Ausprobieren der Grenzen und das Testen der Wirkung immer schon Teil der Pubertät gewesen, aber es schadet der Persönlichkeitsentwicklung, wenn man seinen Blog als Hofberichterstattungsmedium instrumentalisiert, mit dem man ganz gezielt Beifall, auch falschen, einsammeln kann. Dass prinzipiell immer Beifall kommt, und das zu jedem Pups, führt ganz bestimmt nicht dazu, dass man sich trotzdem realistisch einschätzt und fordert. Es werden die gelernten Hebel bedient; man verhält sich sozial erwünscht, um Traffic zu generieren und diesen dann in Form von zustimmenden Kommentaren als verdienten Erfolg zu feiern. Der richtig viel Aufwind gibt. Man braucht es dann nicht mehr, sich an den Guten, den möglichen Vorbildern zu orientieren, um weiter zu lernen. Wenn man nun in den Blog von Laura und ähnliche Modeblogs von Teeangern und jungen Frauen hineinschaut, dann gucken einem da keine wissbegierigen und neugierig-aufgeregten, netten und frischen Teens entgegen. Selbstironie und albernes Teeangerlachen, Fehlanzeige. Man übt den lasziven Sexy-Blick vor dem Spiegel bis der Arzt kommt, doziert neunmalklug über den Inhalt seines Kleiderschranks und zeigt sich regelmäßig auf ziemlich vielen Fotos in Outfit, nach Outfit, nach Outfit ….Gääääääääähn. Das ganze aufregende Teenager-Leben eine einzige Kette aus Klamotten von Zara, H&M und Kollegen. Das ist jetzt keine Koketterie, wenn ich behaupte, dass ich bis zu dieser Geschichte nicht wusste, wie oft man über so wenig wie ein Modehandelsketten-Fähnchen nach dem anderen schreiben kann, ohne sich der gleichen Gefahr wie Draußen auszusetzen, wo man ja schon mal Kritik riskiert, wenn man dummes Zeug redet. Auf dem eigenen Modeblog ist man selbst der Chef und löscht, was einem nicht in das Kunstbild eines in Outfitfotos doku- mentierten, selbst kreierten Image einer umschwärmten Modeblogger-Barbie, passt. Laura handhabt das gleich so, dass Kommentare bei ihr unter dem Link „Schöne Kommentare“ liegen. Unschöne, beziehungsweise kritische Kommentare, gibt es nicht. Lauras Welt ist ja so Lipglossrosa, Chanel-Nagellack-Schlammfarben oder wie der Victorias Secret Boller-BH und der Küchenboden des elterlichen Hauses über und über mit Swarovski-Strasssteinchen be- und durchsetzt. Ob das immer gesund ist und am Ende der Selbstfindung automatisch in eine ganz normale Fähigkeit, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen und von den Besseren und Besten lernen zu wollen, mündet, kann ich nicht beantworten. Die erste Generation der Blogger-Barbies ist ja noch mitten drin. Aber so weit lehne ich mich schon mal zum Fenster raus: Dem weitaus überwiegenden Teil der Teenager geht diese Art von Selbstdarstellung zum Glück sonst wo vorbei, wie schon den Generationen davor. Wahr ist nur, was wirklich ist und Draußen von realen Menschen anerkannt wird. Und dabei ist der Zuckerwattesprung im Tagesoutfit mit geschürzten Lippen vor dem Schminkspiegel leider nicht im Angebot. Lauras Bilder von sich in ausschließlich gekünstelten Posen stimmen jedenfalls nachdenklich.

Daisy’s Fazit: Davon geht die Welt nicht unter, aber man benötigt schon einiges an anthropologischem Optimismus, um das was Laura da veranstaltet, per Se gut zu heißen. Mit Stereotypen von Babes kokettieren und spielen sollte man – wenn überhaupt – erst dann, wenn der Kopf und dessen Inhalt aus den Vorlagen dafür längst herausgewachsen ist. Daisy findet es gut, dass unter den Bloggern auch mal jemand aufgezeigt hat, was so gar nicht gut läuft, wenn wir alle immer nur möglichst weich in Zuckerwattebergen landen wollen… was wir wirklich brauchen sind mehr Haltung und geistige Reibung, liebe BloggerInnen und auch mal kritische Berichte über Blogs und Bloginhalte. Gerne auch über meine.

*Ich hatte Screenshots der zum Text gehörenden Bildbeispiele von Lauras Blog gemacht, obwohl ich kein gutes Gefühl dabei hatte, solche Bilder von einer Fünfzehnjährigen auf Horstson zu zeigen. Horst hat dann aber sofort seine Bedenken angemeldet und Blomquist hätte das auch falsch gefunden, das Bildmaterial zu zeigen. Ich bin sehr froh drüber. An Stelle dieser Bilder zeigen wir lieber reale Teenager, mit echten Teenager-Träumen, fotografiert von Meisterfotograf Christophe Kutner.

Bilder: The Limit Of Control/ Screenshot; One Guy. One Hater/ Screenshot; Christophe Kutner; Katie Perry: Capitol, Virgin

  • Jan Who
    20. Februar 2011 at 19:23

    Ist die Frage ob nicht genau so eine Art von Aufmerksamkeit solchen Leuten die Möglichkeit gibt sich in dem was sie tun gut zu fühlen, da sie durch solche Artikel (die fantastisch sind nebenbei Frau Kollegin) das Gefühl bekommen zu „polarisieren“. und sowie einige Blogger das Gefühl bekommen, ist es meist zu spät 😉

  • blomquist
    20. Februar 2011 at 19:34

    Mich würde interessieren was wohl die Eltern von dem 15jährigen Teenager über die Art der Eigendarstellung der Tochter halten.

  • Jan Who
    20. Februar 2011 at 19:36

    Wir leben in Zeiten von Internetpornografie. Nicht einmal DAS bekommen Eltern mit. Wie also sowas …

  • le chef
    20. Februar 2011 at 19:44

    bei dem blog kriegt man ja brechreiz. weiter als bis zum ikea/prinzessin lillifee-schlafzimmer bin ich allerdings nicht gekommen. da musste ich wegklicken.

    Prêt-à-porter und nicht Prét à porter 😉

  • Daisydora
    20. Februar 2011 at 19:47

    @Jan Who

    Natürlich kann so ein Artikel dem Mädchen erst mal Aufwind geben. Aber am Ende hilft es immer, sowas aufzuzeigen. Es wird ja nicht nur diesen einen Blog eines Teenagers ohne jedwede Kontolle und außer Rand und Band geben, auch wenn hier besonderer Handlungsberdarf bestehen dürfte… Ich danke dir, Kollege Jan!

    @Blomquist

    Das mit den Eltern interessiert mich am meisten. Das Mädchen kann ja überhaupt nichts dafür!!! Es gibt ja schließlich auch Opfer von Wohlstandsverwahrlosung …. die Taupefarbene Birkin Bag wird Laura am Ende nicht dabei helfen, sich als Frau gut zurecht zu schütteln und ihren Platz in der Gesellschaft, außerhalb des elterlichen Hauses und ihres Blogs, zu finden.

    Ich vermute aber, die Eltern haben schon gewisse Kenntnis davon, da das Mädchen daheim wohnt und der Blog Werbekunden hat, von denen ja auch mal Post kommt …..

    Wie sehr man sich mit dieser Art der Eigendarstellung im Internet ins Aus schiesst, muss den Leuten aber nicht zwingend klar sein…..

    🙂

  • Daisydora
    20. Februar 2011 at 19:51

    @le chef

    Ich danke dir, schon wieder der verhexte circonflexe Fehler! 🙂

  • blomquist
    20. Februar 2011 at 20:15

    @ Daisydora: Die Eltern lassen sie ja schliesslich auch zur BerlinFashionWeek fahren, da könnten sie sich ja mal Gedanken machen wie die Veranstalter auf das Töchterlein kommen….

  • Peaches
    20. Februar 2011 at 20:39

    Liebe Daisy, das mag jetzt überraschend kommen, pero: ich liebe Dich. 😉

    Haha – na gut, vielleicht nicht wirklich.
    Aber ich finde es immer wieder toll Deine Berichte zu lesen. Du findest immer die richtige (klugen!) Worte. Schön. Gerne mehr davon.

    Und ich wunder mich doch immer wieder wie schnell sich Generation, die nicht all zu weit auseinander liegen – meine Wenigkeit ist auch erst zarte 20 😉 – so sehr unterscheiden können. Zu meiner Zeit hätt es sowas nicht gegeben! 😀

  • Daisydora
    20. Februar 2011 at 21:48

    @Rob

    Allerdings!
    Sicherlich setzen sich solche Blogs auf Dauer nicht durch, aber Schaden entsteht für Laura und einige der Fans ja trotzdem …. ob das mit den Eltern wirklich so ist, weiss ich nicht. Die Familienmitglieder werden ja zumindest als Fotografen gebraucht … und es kommt Post ins Haus. Sehr seltsam! Ich hoffe auch, dass ihre Bilder nicht schon sonstwo gelandet sind.

    @Peaches

    Liebe Peaches,
    du bist wirklich bezaubernd und klug und ich weiss gar nicht, wie ich mir das Lob irbendwann mal verdienen kann. Weisst du, es ist so einfach hier auf Horstson mit Horst, den guten Kollegen und den tollen Lesern. Da kann ich viel machen, das anderswo nicht ginge. Du und so viele andere junge Leute in Deutschland bestärken mich immer wieder in dem sehr guten Bild, das ich von der Jugend hierzulande habe. Wollen wir hoffen, dass Laura die Kurve mit Hilfe der Eltern (nach dem Weckruf, der da hoffentlich kommt) und dem guten Beispiel, das sie sich an anderen Jugendlichen nimmt, bekommt…..

    Ich freue mich sehr über so junge Leser wie dich – ganz herzlichen Dank! 🙂

  • itsallaboutchanel
    27. Februar 2011 at 10:45

    Danke für diesen tollen Artikel Daisy. Mir stehen die Haare zu Berge, wenn ich sehe was für Fotos junge Mädchen z.T. von sich ins Netz stellen und sich offenbar keine Gedanken darüber machen, was für ein Bild sie von sich selbst vermitteln.

  • Daisydora
    27. Februar 2011 at 19:56

    @itsallaboutchanel

    Vielen Dank für das nette Feedback, ich freue mich, auch weil du wie Peaches BloggerIn bist und man aus dieser Ecke eigentlich immer nur Schweigen zu wichtigen Themen hört ….

    Ich glaube auch, dass niemand Laura erklärt hat, welche Aussagen sie mit solchen Fotos automatisch trifft …. man kann ihr aber nicht schreiben, weil ein Impressum und der übliche Mailkontakt fehlen ….

    Danke! 🙂

  • klear
    1. März 2011 at 21:10

    @ jan who das argument mit der aufmerksamkeit teil ich nicht..
    nur weil kritik auch einen gewissen grad an aufmerksamkeit erzeugt- auch für die sache die man kritisiert- heißt es nicht, dass man sich totzuschweigen hat
    .. ähnlich wurde schon mal argumentiert bzgl des afghanistan einsatzes
    dass die hiesige kritik die selbstmordätentäter beflügelt.. und somit schädlich wär.

    @daisydora danke für diese beitrag..
    vorallem die passage der wohlstandsverweisung.. richtig.. lieber schafft mama den kids teure marken klamotten an
    kostet ungefähr 3 minuten zeit udn keinen nervenals sich ernsthaft für sie zu interssieren und sich mit ihnen zu bschäftigen,

    ansonsten kritisierst du zurecht was ich finde auch auf viele blogs zu trifft..
    diese sich um sich selber kreisen und der damit verbundne verlust zur eigenen realität… von daher passt der titel mehr als gut..
    das ist auch einer der gründe warum ich viele blogs nicht mehr lese.. schon allein, dass das lesen von samt untaltentierten ohne eigene idee Schreiberlingen einfach fad ist..

    würde ein blog ähnlich viel geld kosten und wäre der virtuelle publizismus mit ähnlich viel wareneinsatz verbunden wie die printmedien, dann hätten wir die schwemme nicht!
    aber vielleicht müßten wir auch auf so eine tollen blog wie eure verzichten:-))
    dickes kussi

  • klear
    1. März 2011 at 21:12

    und sorry aber ich kann in diesem kleinen fenster nicht immer alles durch die guttenberg-methode entstanden grammatik fehler korrigieren.. ich bemühe mich, ernsthaft:-)

  • Daisydora
    2. März 2011 at 09:01

    @klear

    Dankeschön für das wohlgesonnene Feedback!

    Mir tut Laura ehrlich gesagt auch leid, wie sie da ganz unsicher dasteht mit ihrer taupefarbenen Birkin Bag … und auf unzähligen Fotos einen sexy Gesichtsausdruck probiert, an dem ich aber erkenne, dass sie sich selbst nicht schön findet (Mama war mal Model, die Fotos muss man gesehen haben, um die Agitationsweise des Mädchens zu verstehen).

    Das mit der Selbstbestäubung der Blogs, die um sich selbst kreisen und sich kaum eigene Beiträge ausdenken, ist auch mein Grund, weshalb ich nur äußerst selten Zeit und Nerven ins Lesen von Modeblogs investiere. Ich gucke in ein aar Blogs rein, die ich mag, der Rest langweilt mich, auch wegen der lieblosen oder trfivialen Art zu schreiben.

    Vielen herzlichen Dank für dein Lob, wir werden aber sicher noch besser 🙂

  • Daisydora
    2. März 2011 at 09:04

    Ich gucke in ein paar Blogs rein, die ich mag, der Rest langweilt mich, auch wegen der lieblosen oder trivialen Art zu schreiben…

    …sollte das eigentlich heissen
    .. mir geht es wie dir …..@klear