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Klassentreffen

Da sitz ich im zitronengelben Jogging-Anzug irgendwann Ende der 80er in der Aula einer Realschule einer mittelgroßen Kleinstadt zwischen Hamburg und Hannover. Was springt uns beim Betrachten des Bildes sofort ins Auge? Der Schulfotograf hatte sich ausgerechnet den Tag in der Woche ausgesucht, an dem der Sport-Unterricht stattfand – Erkennbar am hohen Trainingsanzug-Aufkommen. Das war praktisch und man mußte sich nicht großartig in der Sammelumkleide bei diesem ganz typischen Geruch, einem Mix aus Schweiss, Füßen und Pickelcreme vergangener Schulsportstunden umziehen und der Look war damals eh‘ egal: Keiner von uns hatte einen Blog, in dem er sich täglich in H&M Klamotten ablichtete. Wir hatten noch nicht einmal einen H&M. Wir hatten BOSS, Marc O’Polo und, wie auf dem Bild zu sehen, adidas – damals noch Original Originals. Aber eigentlich war es uns egal, denn wir hatten uns und manchmal auch nur sich selbst, schließlich steckten wir alle in der Pupertät.

Was wir auch hatten waren in den Köpfen verrückte Ideen und auf den Köpfen die erste Dauerwelle – zumindest die Mädchen. Und wir hatten Zeit. Sehr viel Zeit: es gab kein Internet und keine SMS. Man hat sich angerufen und manchmal ging einfach keiner ran – also ist man zum Klassenkamerad hin und klingelte an der Tür oder trieb sich irgendwo rum.

Denk ich an die Zeit zurück, denke ich wie leicht das Leben damals gewesen ist. Keiner hatte Druck von Außen, man überlegte nicht was man werden möchte – keiner wollte Editor in Chief werden, auch hatte keiner die Idee, Social-Media-Berater oder Kaufmann für Marketingkommunikation zu werden.
Nun weiß ich natürlich nicht, ob es damals alles besser war. Manchmal denke ich das es schrecklich sein muss in der heutigen Zeit groß zu werden – in einer Leistungsgesellschaft in der man nichts ist, wenn man nichts erreicht hat. In der man sich durch Labels, Musik, und Berufen identifiziert. Wo es manchmal wichtiger ist das man was sagt, als das was man sagt. Wo ein 17 Jähriger sich im heimischen Jugendzimmer im Givenchy Fake fotografiert, vorher noch schnell die Kuscheltiere versteckt hat und noch ein Bruce Weber Bildband auf den Tisch legt. Mnachmal denke ich aber auch, dass es phantastisch sein muss, sofort alles Wissen der Welt sofort auf den heimischen Computer geliefert zu bekommen und nicht mehr ein Buch in der örtlichen Bücherei zu bestellen – Wikipedia sei Dank.
Mit den Gedanken und Erinnerungen im Hinterkopf fahre ich heute in die mittelgroße Kleinstadt treffe sie alle zum Klassentreffen wieder – den Schulle, den Martin, den Kai, die Caro und wie sie alle heißen.
Ich hab mir zum Selbstschutz nicht überlegt, wieviele Jahre das schon her ist das ich sie alle auf einmal gesehen habe, ich glaube 22 Jahre – Man wird auch nicht mehr jünger.
Ich gebe zu: Ich bin etwas aufgeregt.

  • Volker
    21. Juli 2012 at 16:35

    Schöner Text! Mein letztes Treffen liegt auch eine halbe Ewigkeit zurück.

  • muglerette
    21. Juli 2012 at 18:13

    ich hab mein abi klassentreffen vor der front party und mein grundschultreffen im oktober yeeeeah!!

  • Joel
    21. Juli 2012 at 23:39

    Tja, dann überlegt doch alle mal ein bisschen zurück! Wir hatten kein Internet, auch keine Handys und keine digitalen Armbanduhren! Aber wir mußten um um 18.00h zu Hause sein! Woher wußten wir, wann es 18.00h ist? Die Glocken haben geläutet! Und was haben wir den ganzen Tag gemacht? Gespielt, denn wir konnten das noch!

  • Ulrike Teterycz
    22. Juli 2012 at 09:12

    Schade, dass dies meine Kinder nicht lesen und wenn sie es täten, könnten sie nicht nachvollziehen, von was denn da die Rede ist. Ich würde gerne wissen, was sie in ca. 20 oder 30 Jahren schreiben würden?!

  • Mia
    22. Juli 2012 at 18:56

    Wunderschön,ja.
    Ich erinner mich auch noch dran, dass man nur die Straße herunter ging und klingelte, wenn man was unternehmen wollte und dass man keinen Computer oder ein Iphone oder dergleichen brauchte, um Spaß zu haben. In der Bücherei habe ich damals mindestens soviel Zeit wie heute vorm Mac Book verbracht. Ich denke wir können uns glücklich schätzen diese Basis zu haben. Ich hoff das Treffen war toll!

  • FrolleinJulia
    22. Juli 2012 at 20:18

    ein toller Beitrag, lieber Horst und so wahr!

  • peter
    23. Juli 2012 at 10:55

    wie schön dus chreiben kansnt horst!!!gefällt mir sehr und weil ich imemr ncohe in stück so lebe hab ich auch kein handy dafür mehr phantasie weil ich zwischendurch viel zeit hab zu denken….man mus sich ein stück freiheit erhalten…

  • Horst
    23. Juli 2012 at 13:14

    Oh! Das freut mich natürlich das euch der Beitrag gefällt!! 🙂
    Das Treffen war wirklich super und ich fand es sehr spannend die alten Klassenkameraden nach 22 Jahren wiederzusehen und nach 10 Minuten war es so, als ob man sich nur eine Woche nicht gesehen hat.
    Ein tolles Erlebnis und ich wünsche @muglerette viel Spass bei seinem Klassentreffen!

    🙂

  • Fashion Clash #21
    24. Juli 2012 at 09:09

    […] hat ein paar sehr wahre Worte zum kranken Magerwahn im Modebusiness niedergeschrieben.Und Sascha hat mich am Wochenende sehr zum Schmunzeln gebracht.Bild: mau-fashion.com Das könnte Dir auch […]

  • Fashion Clash #21
    24. Juli 2012 at 09:09

    […] hat ein paar sehr wahre Worte zum kranken Magerwahn im Modebusiness niedergeschrieben.Und Sascha hat mich am Wochenende sehr zum Schmunzeln gebracht.Bild: mau-fashion.com Das könnte Dir auch […]

  • Sue
    24. Juli 2012 at 10:37

    🙂 true story