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I’m So In Love With Me – Back To BloggerInnenBiedermeier

Manchmal hat Daisy einen Bericht schon seit Monaten auf Halde, bringt ihn aber aus Rücksichtnahme auf den guten Geschmack der geschätzten Leser nicht. Auch, weil euer Lieblingsblogger Horst immer ein Auge darauf hat, dass euch nicht zu viel Bad-Taste-Realismus auf einmal aus der Bloggerszene zugemutet wird. Dann passiert etwas, wie diesen Donnerstagmorgen in der Beilage Fashion zum Stern, und schon ist das Thema so aktuell, dass da kein besserer Zeitpunkt für eine Veröffentlichung vorstellbar ist.

Für diesen Bericht, bei dem es um die Begeisterung an der eigenen Person und um die bevorzugten Looks von ModebloggerInnen geht, muss Daisy leider so weit ausholen, dass wir nicht ohne einen großen Satz zurück in das 19. Jahrhundert auskommen. Ach was war das alles wohlgeordnet und romantisch! Es waldmüllerte* in Haus und Hof und an den großen Höfen der Wohlhabenden und des mächtigen Adels erst recht. Kurz vor dem Beginn der industriellen Revolution wollten alle gutbürgerlich und gebildet sein. Und vor allem so aussehen, als ob sie es schon wären. Zum Glück gab es kein RTL-, Pro7- und Sat1-Nachmittags-TV, in dem das pralle Alltagsleben des Pöbels wie heute abgebildet werden konnte, sonst hätte man die Bildschirme glatt mit Spitzendeckchen verhüllen müssen, um das schöne Bild nicht zu stören. Frauen verstrahlten ihren Liebreiz, kämmten und flochten ihr Haar gefällig, trugen standesgemäße Kleider vom Schneider und kreisten mit ihren Gedanken darum, sich gut zu verheiraten, dem Mann eine gute Frau zu sein, für Nachwuchs zu sorgen. Das interessante daran: Die von mutloser und fantasiefreier Biederkeit erfüllte Spießigkeit, die Daisy mit dem Biedermeier und der Nachkriegszeit verbindet, in der Frauen wie Doris Day zu den Role Models perfekter Frauen wurden, deren Frisur nie verwegen war, damit jedes Haar auch dann noch am Platz lag, wenn der Göttergatte mal eine halbe Stunde früher aus dem Büro kam und das Essen schneller als sonst fertig gekocht sein musste, ist wieder zurück in unserem Alltag! Auf Modeblogs bezogen, bedeutet das, dass ausgerechnet die Modefachleute, als die sich Blogger ja sehen, die Pioniere des neuen Biedermeier sind. Der Schleifchen-und Volantfaktor tendiert zeitweise gegen hundert Prozent; die Klamottenstile oszillieren zwischen Kinderkleidchen im Empirestil, Kleidern mit industriell gefertigten Spitzenkrägelchen oder auch gerne mal solchen, die Daisy als DIY Couture bezeichnet und den unvemeidlichen Vintagefähnchen, die sich dadurch auszeichnen, langweilig auszusehen und schlecht zu sitzen.
Wenn es nicht so traurig wäre, was Dotti und Kolleginnen da tragen, weil sie damit ja zur Nachahmung ihres vermeintlich individuellen „Stiles“ einladen, könnte man das textile Malheur mit etwas Humor sehen und herzlich darüber lachen; darüber, wie sich ansonsten hübsche und junge Frauen, die für sich aber in Anspruch nehmen, mit ihrem guten Geschmack stilbildend zu wirken, so bieder und langweilig verkleiden, wie artige Hausfrauen nach dem Krieg… die weniger artigen unter denen hatten nämlich Eleganteres oder Aufregenderes an. Zumindest etwas, dass der Frau zu dem Prädikat verhalf, sehr feminin und elegant auszusehen. Und im Biedermeier, dem Blueprint für Daisys ausgesuchte BloggerInnen sahen die langen Kleider mit ihren Schleifen und Schnürungen, den wertvollen Spitzen, auch aufwändig-eleganter aus, weil ja der höfische Stil imitiert werden sollte. Man wollte reich, beziehungsweise wohlhabend und großbürgerlich wirken und zog sich aus diesem Grund so an. Wollte man sich doch klar von Mägden und anderem Gesinde unterscheiden. Wovon wollen sich die Bidermeier-BloggerInnen eigentlich unterscheiden? Von frischen und gutaussehenden jungen Frauen, die einfach in Jeans und ein weißes T-Shirt hüpfen, ein Paar Sneakers anziehen und darin belendend aussehen, ohne, dass man sofort auf die Klamotten achten würde. Es geht ja ohnehin immer um die Frau, die darin steckt. Das dürfte sich aber noch nicht herumgesprochen haben, dass man besser die Finger von Klamotten lässt, in denen man bis zur Unkenntlichkeit verkleidet aussieht. Oder wollen diese Bidermeierfrauen nur vermeiden, sexy auszusehen? Sieht ja schon so aus, als wolle man um alles einen großen Bogen machen, das Männern an Frauen gefallen könnte. Und an dieser Stelle habe ich die Pflicht, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass normale Männer sich Frauen nicht in ultrakurze Stretch-Schläuche hinein fantasieren. Aber in Kleidung, durch die Figur und die ganze Frau hübsch in Szene gesetzt werden. Daran kann Daisy jedenfalls nichts Falsches entdecken. Sieht jedenfalls cooler aus, als diese aufgesetzte Art, sich immer so bieder und lustlos zu kleiden, und, das Malheur dann auch noch in einem blumig-schwülstig formulierten Kurztext zu dokumentieren; aus dem Daisy jedenfalls herausliest, wie verliebt ihr alle in euch selbst seid.

Ach ja: I’m so in love with me… das sagen mir die Posen. Und erst der allzu gut eingeübte, scheue Blick, die Augen gesenkt und schon auf den Auslöser gedrückt… der erinnert nun aber wirklich an die Bidermeier-Mädchen auf vielen Gemälden von Waldmüller und Kollegen. Das höfische oder großbürgerliche Mädchen zu dieser Zeit war sittsam, konnte kein Wässerchen trüben und so sah es auch aus. Ihr seid aber junge Frauen, die mitten im Leben stehen – da vermisst Daisy einfach jegliche Steckverbindungen zwischen diesen beiden Epochen und dem Leben das heutige Frauen im Vergleich mit dem behüteten Leben der wohlhabenden Biedermeier-Frauen führen. Für Dotti von Dottis Swiss Dots, einem Blog, der seine Promotion und die für den Onlineshop, Dottis Vintage, durch das Gastbloggen im LesMads Netzwerk erledigt, scheint das ja auch Arbeitsbekleidung zu sein. Bringt ja schließlich schon was ein, sich auf dem frequentiertesten Blog im Lande immer in diesen – für Daisy – kuriosen Kleidern zu zeigen. Andere Jungunternehmer müssen für Werbung schließlich bezahlen. Aus diesem Grund, weil die nostalgische Schweizerin die exponierteste Bloggerin Deutschlands ist, die den Biedermeier-Stil unter die BlogleserInnen bringt, habe ich als Beispiele Screenshots ihrer Tagesoutfits und sonstiger, unverbindlicher Bekleidungsvorschläge, verwendet. Auf Horstson musst du für diese Werbung nicht bezahlen, liebe Kollegin, die bekommst du kostenlos. Auch sehr interessant fand ich einige Outfits von Katja von Beesandballoons, die sich in der übrigen Zeit aber eher so anzieht, wie Mädels, die ein eher indifferentes Verhältnis zu Mode haben. Aus Gründen der Fairness, bringen wir hier keine Bilder von netten PrivatBloggerInnen. Kurzes Fazit zum endlosen Fashion-Drama: Daisy findet eure Klamotten bieder bis zum Abwinken und auch nicht wirklich vorteilhaft. Denn, eigentlich sind die jungen Damen ja hübsch. Bitte nicht nachmachen!

A pro Pos: Der Auslöser dafür, dass ich diesen Bericht nun doch noch losschicke, ist der Artikel: Die neue Geschmackselite. Zu finden in der Beilage Fashion zum aktuellen Stern, ganz hinten. Da zeigen sich laut Autorin Viola Keeve die wichtigsten Online-Werker des Landes, die sie auf der Fashion Week in Berlin zu Gesprächen getroffen hatte. Und wie! Das textile Unglück hat einen Namen: Schlechter oder zumindest unsicherer Geschmack ist sehr verbreitet unter dieser Elite. Im günstigsten Falle, sieht das einfach nur ganz normal aus, was der Blogger oder die BloggerIn morgens übergeworfen haben. Von den zwölf Akteuren, die hinter neun Modeblogs stehen, liegen wirklich nur die beiden Männer, Roberto Poropat von coutequecoute und Dario Natale von stilinberlin richtig….. aber bitte, gerne, wenn’s schön oder zumindest euch Bidermeier-verliebten BloggerInnen Spaß macht, warum nicht mal wieder in der Altkleidersammlung nach Vintage Pretiosen stöbern oder das völlig falsche Outfit als stilprägende Idee auf dem eigenen Blog abfeiern.

*Ferdinand Georg Waldmüller

Bilder Blogs: Screenshots Dottis; Beesandballoons

  • blomquist
    6. März 2011 at 20:28

    Zum Glück kenne ich diese Blogs nicht-
    leider aber einige andere auf denen eigentlich hübsche Mädchen wohl versuchen für immer Single zu bleiben.
    Denn in den Outfits findet die sicher kein Hetero-Mann toll.
    Und warum oft dieser lächerlich schüchterne Blick?
    Wer so schlimm schüchtern ist der stellt doch sicher kein Foto von sich ins Netz..
    Auch toll, der täglich leere oder leicht verzickte Gesichtsausdruck meiner Lieblings-Bloggerin…
    🙂

  • Rene Schaller
    6. März 2011 at 20:29

    Liebe Daisy,

    du hast vergessen darauf hinzuweisen, dass man sich die ganze Pracht waldmüller’scher Malerei bei Euch in Wien anschauen kann. Im Belvedere hängt eine wunderschöne Sammlung.

    R.

  • Daisydora
    6. März 2011 at 20:53

    @Katharina

    Die Beiden haben den Dreh raus. So spart man durch so genanntes Gastbloggen auf LesMads die Werbekosten ein. Nicht, dass ich jungen UnternehmerInnen das nicht gönnen würde, dass sie in die Gänge kommen, aber die Leser, die diese sturzlangweiligen Posts vorgesetzt bekommen, tun mir leid. Dabei könnte La Gamine es auch besser, ihre Berichte aus San Francisco fand ich ganz gut gelungen und mit viel mehr Liebe geschrieben. Bei Dotti, so finde ich, ist Hopfen und Malz verloren, die nutzt die Plattform ganz knallhart aus und postet dann halt zwischen ihren zahllosen Promo-Berichten für sich und Zürcher Freunde ihr Frühstück oder die Suppe, die es mittags gab….. Bin gespannt, wie lange man das bei Burda noch schleifen lässt …. 🙂

    @Blomquist

    Du bringst es auf den Punkt. Dotti hat aber schon jemand. Hat also trotz Morbus Vintage geklappt… 🙂

    @René

    Lieber René,

    erst mal dankeschön für das interessante Video; hatte noch keine Zeit, dir zu antworten… das hole ich aber nach…

    Tja, du bist halt in Sachen Kultur ein Crack und weißt sowas …. ich bin ja kein Fan des Biedermeier, bei zu hoher Dosis bekommt man alles mal über 😉 …aber schön romantisch malen konnte Georg Ferdinand W. schon …. 🙂

  • Daisydora
    6. März 2011 at 21:59

    @Katharina

    Oh ja, Dotti kommt aus der Schweiz, und wie…. patriotischer und nationaler kann man auf einem Modeblog glaube ich nicht mehr rund um den Kirchturm berichten, als Dotti das tut.

    Auch wenn die SF Berichte nur schöne Berichte und nicht mehr sind, so veranschaulichen sie für mich doch, dass bei entsprechend ambitionierter Herangehensweise, selbst das LM Netzwerk etwas hergäbe.

    Mir sind aber nur Herbert und Schnati sympathisch, weil die mit etwas mehr Herz dabei sind…. Aber dem, was man sich unter richtig guten Gastbloggern vorstellt, etsprechen auch diese beiden Highlights nicht immer. 🙂

  • le chef
    6. März 2011 at 22:31

    klasse geschrieben der artikel, musste sehr lachen. 😀

    ich wusste gar nicht, dass LM noch nebenblogs hat.
    die eidgenössische jungbloggerin schlägt ja mal eine ganz andere stilrichtung als die dame des hauses ein, und sieht damit nicht weniger bescheuert aus. die unterbieten sich ja gegenseitig!

  • Daisydora
    7. März 2011 at 09:55

    @le chef

    Ich danke dir, bei solchen Steilvorlagen fällt das Schreiben nicht schwer 🙂

    Oh ja, LM führt ein ganzes Netzwerk, das nur sehr heterogen ist … da wird sich aber gewiss etwas tun in Kürze, die hatten ja vor einigen Wochen nicht nur Personal gesucht, sondern auch neue Gastblogger. Mal sehen, wer da angewackelt kommt … ich finde es ja schon schlimm, welche Vertretungen sich Jessie sucht … iloveponys war so einer der qualitativen Tiefpunkte…