Am Dienstag zeigte Karl Lagerfeld im Grand Palais seine Frühjahr-Sommer Haute Couture Kollektion für Chanel.
Das Setting unter der großen Kuppel kündigte schon an, dass uns das Thema „Cambon Club“ in heller, luftiger Atmosphäre mit silbrig-weißer Tonalität in einen Sommer der Unendlichkeit führen wird. Das Rund des Auditoriums wurde durch eine große, halbrunde Spiegelwand geschnitten, die sich später als Drehbühne erweist, deren Rundung durch eine zweiflügelige Freitreppe ausgefüllt wurde. Zu Füssen der Treppe stand ein in Weiß gewandetes Orchester, das zusammen mit Sébastien Tellier und unter der Ägide von Michel Gaubert den Soundtrack der Show bildete. Die Erwartung von unendlicher Freiheit, Leichtigkeit und Transparenz des Sommers lag schon beim ersten Modell in der Luft, als es leichtfüßig die Treppe hinunterkommt.
Bilder: Olivier Saillant
Karls Couture Frau ist keine statische unbewegliche Diva, sondern trägt bequeme Running Shoes, die in zartesten Loups im Composée mit den Looks abgestimmt sind, oder mit irisierenden, transparenten Zellophan Pailletten hundertfach bestickt sind. Es ist der ausschließliche Schuh der Kollektion und nicht nur der ideale Bruch zu den Haute Couture Kreationen. Die Sneaker geben auch das rasante und fröhliche Tempo vor.
Bilder: Olivier Saillant
Die „Chariots of Fire“-Frisuren von Sam McKnight haben fast Anklänge eines olympischen
Siegerkranzes und betonen die klaren Gesichtszüge der heutigen Couture Amazonen. Mit Satinbändern geschnürte Corsagen-Kleider mit angesetzten Trapez Röcken dienen als Unterlage, um darüber weite, kurze Jacken oder geschlossene Oberteile zu tragen, die runde, fast grafische Schultern und weite, gerade Ärmel haben.
Bilder: Olivier Saillant
Bilder: Olivier Saillant
Karl Lagerfelds Silhouette ist kniekurz und taillenbetont, wird aber durch die Schnittführung der Oberteile mit fast purer, grafischer Anlage sportlich komfortabel und neuartig. Alle Modelle haben den klaren Teilungsschwerpunkt auf der Hüfte. Dadurch wirkt die Haltung der Frau noch erhabener. Gleichzeitig erinnern sie wie ein Zitat an die feminine Silhouette mit Caraco Oberteilen, die der Designer in seiner Zeit bei Jean Patou zeichnete.
Im Gegensatz dazu stehen die zartesten Farben, die von vielen Silber- und Perlmutt-Nuancen bis zu feinsten, fast noch aufgehellten Sorbet- und Pfefferminz-Tönen reicht. Obwohl die Stoffe clean und fast plein wirken, gibt es keine Materialien, die nicht hundertprozentig nachgestickten oder mit neuester Technik veredelt wurden.Traditionelle Stricktechniken werden von Lesage ausgeführt, die Hightech Techniken werden hingegen bei Montex gemacht. Die Ateliers von Montex können die sich in den letzten Jahren rasant entwickelten Lasercut Techniken in besonderer Weise ausführen, die zu einer hundertfach gesteigerten Präzision führen. Handwerk heißt nicht verstaubt sein, denn durch moderne Technologien kann man beispielsweise Perlmutt-Pailletten im Zehntelmillimeter-Bereich von der Stärke cutten.
Als Accessoires wurden Knie- und Ellenbogen Schützer in silbernen gesteppten Plongé Leder, flitterig bestickt mit irisierenden, silbernen Blüten präsentiert.
Bilder: Olivier Saillant
Bilder: Olivier Saillant
Der Sommernachtstraum des William Shakespeare findet 2014 wie bei einer ungeheuer luxuriösen Olympiade statt und dabei ist alles sehr tragbar. Eingefleischte Couture Kundinnen werden aber sicherlich andere Längen oder kleine Veränderungen bestellen. Die Kollektion scheint losgelöst von allen Kulturen und Kontinenten und so selbstverständlich wie ein simples „Slip-On-Dress“.
Selbst Mademoiselles Kammerzofen Bluse erfährt eine moderne Metamorphose und wird zur jetzigen Version von Antoine Watteaus Gilles, die, um die Städte zu erobern, auf Sneakers unterwegs ist. Die kleinen Anspielungen in den Abendroben sind im Rahmen der Silhouette liebevolle Anspielungen auf die Ikonen des Hauses. Tunika Kleider mit angeschnittener Schleppe, bestickte Dentelles de Calais in Streifen-Inkrustationen, darüber nur ein seidener Kimono Mantel in Rosé und Schwarz. „Lace – Dresses“ als Reminiszenz auf Cocos souveräne Jahre in den Dreißigern.
Bilder: Olivier Saillant
Was aber alles nur wie einen Traum erscheinen lässt, ist die vollkommene Transparenz, die alles erahnen lässt, aber nichts preisgibt und die die eigentliche Raffinesse dieser starken Kollektion ausmacht. Chiffon und Gazar sind so geschickt gelegt, gedoppelt und übereinander geschnitten, dass alles wie die Zartheit von Insektenflügeln wirkt und man fragt sich ständig, wie die Schneider von Chanel diese Wunder bewerkstelligen.
Die Abendroben sind wie ein Sommerfestival und münden in der Braut, deren Schleppe von Karls Patenkind, dem kleinen Hudson Kroenig, getragen wird.
Bilder: Olivier Saillant
Bei allem Luxus der Materialien und der wirklichen Couture Arbeit in diesen Looks wirkt alles so unglaublich unprätentiös und fröhlich und das liegt mit Sicherheit nicht nur an den Sneakers. Eine Couture Kollektion, die auch unglaublich gute Laune macht und eben diese gute Laune schwappte auch auf Karl Lagerfeld herüber: er winkt fröhlich, als er neben der Braut steht und die Honneurs des Publikums entgegennimmt.
Ich könnte es nicht schöner als meine englische Platznachbarin sagen: „Man denkt immer, irgendwann müsste doch mal seine Kreativität zu Ende sein. Aber er wird ja immer immer besser und perfekter …“
Auf jeden Fall ist Karl Lagerfelds Spring-Summer Kollektion für Chanel der wirkliche Sommernachtstraum und 100% Haute Couture. Kreationen, die fast wirken wie von Zauberhand genäht – wie wunderbar, dass man dazu Sneaker tragen kann, dadurch geht die Bodenhaftung unserer Zeit nie verloren.
Kat
23. Januar 2014 at 11:11Traumhaft schön!
monsieur_didier
23. Januar 2014 at 11:23…schöne Fotos und ein schöner, sehr ausführlicher Artikel…
aber bei einigen Looks gehen die Sneaker nicht wirklich, dort sehen sie eher ein wenig „plump“ aus… z.B. bei den schwarzen Outfits…
nichts desto trotz: …immer wieder überraschend, der Herr Lagerfeld…!
Siegmar
23. Januar 2014 at 11:27Die Kleider wirklich mehr als schön, die Schuhe dazu hässlich und unpassend, selbst auf dem Laufsteg. Wie ich schon immer meinte. Herr Lagerfeld “ hat ein Problem mit Schuhen „
Daisydora
23. Januar 2014 at 13:11Ein wie immer wunderbarer Bericht über eine tolle Couture-Kollektion, in der mir diesmal wieder sehr vieles gefällt … das war schon mal andersherum … und ich finde die Idee mit den Sneakers frisch … klassische Pumps und Slingpumps gibt es bei Chanel ohnehin immer 🙂
blomquist
23. Januar 2014 at 22:02Ich finde die Schuhe großartig!
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