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Hallo Maria, lass uns weiter über Wien als Modestadt und Heimat für Modeblogger reden…

So, gestern gab es ja den ersten Teil zu lesen und nun geht es weiter mit dem zweiten Teil des Gespräches. Maria Ratzinger kennt die Verhältnisse der Modebranche sehr gut und das ist die beste Gelegenheit, mehr über die Spezifika des Marktes in Österreich, im Vergleich zu dem in Deutschland, zu erfahren.

Maria Ratzinger: Wenn Mode in Wien in einem seriösen Kontext transportiert wird, hat sie immer diesen unweigerlich elitären Kunst-Touch. Das bedingt auch die Auswahl der Labels, an die Förderungen ausgegeben werden. Wenn du das unter dem „allgegenwärtig etablierten“ verstehst, dann kann ich dir recht geben. Meistens wird geschmacklose Mode entweder in einem noch geschmackloseren Rahmen auf irgendwelchen Missen-Society-Formaten gezeigt, oder in einer abgehobenen Kunst-Sphäre. Dass das kein guter Nährboden für ein dringend notwendiges Dazwischen sein kann, ist klar.
Am besten man beleuchtet mal den Anfang des Werdeganges eines Designers: Die Ausbildung. In Österreich hat die Modeklasse der Angewandten fast ein Monopol auf eine akademische Ausbildung im Modebereich. Eine Ausbildung, die sicher gut ist, aber – wie es bei einer Kunstuniversität der Fall sein kann, keine wirklich praktischen Fähigkeiten für die Industrie lehrt. So werden Kollektionen für Präsentationen oft von externen Schneidern im Auftrag der Studierenden angefertigt. Wo ist der Sinn dahinter, wenn ich Mode mache, aber keine perfekte Materialkunde habe oder keine optimalen Schnitte zeichnen kann? Interessiert mich aus Textilunternehmersicht ein Designer, wenn er/sie hübsche Sachen auf dem Papier machen kann, aber darüber hinaus nicht viel?
Eine weitere Ausbildungsmöglichkeit bieten die führenden Modeschulen in Wien: Hetzendorf, Michelbeuern und die Herbststraße. Die Modeschule Hetzendorf hatte bis vor kurzem einen Bakk-Studiengang, der vor wenigen Wochen abgeschafft wurde und mit einem letzten Jahrgang ausläuft. Ein kompletter Rückschritt, wie ich meine, war er doch praktischer orientiert. Die Modeschule Herbststraße hat ein Duo wie Elfenkleid hervorgebracht, die Modeschule Wien Hetzendorf hat Absolventinnen, wie eine Lena Hoschek oder Eva Poleschinski. Man sieht also, dass abseits der Angewandten DesignerInnen entstanden sind.

Daisydora: Ich denke dieser Zug zur Angewandten hat eher was mit der Reputation der Dozenten und Leiter der Modeklassen der letzten zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre zu tun. Schließlich hatte die Angewandte schon einige klingende, internationale Designer- Namen aufgeboten …. Vivien Westwood hat dort ihren Ehemann und Partner gefunden. Aber du willst ja noch was zum Fördersystem sagen.

Maria Ratzinger:
Um jetzt das Fördersystem noch einmal vor diesem Hintergrund zu zitieren: Es ist natürlich klar, dass ein Land seine Steuergelder in Menschen steckt, die aus seiner (akademischen) Bildungsmaschinerie stammen, aber tut man sich damit etwas Gutes?
Sicher muss man als junger Designer seine Sporen in der Realwirtschaft verdienen und dort Fähigkeiten erlernen und austesten, aber wenn es die für Textil in Österreich nicht ausreichend gibt, kann man in Folge nur mehr ins Ausland gehen. So beißt sich natürlich immer wieder die Katze in den Schwanz.
Die großen Modeländer und -städte, denen immer hinterher gehoppelt wird, haben eine aufrechte Tradition im Handwerk. Vor allem in den Couture-Häusern. Man ahmt immer diese Städte nach, versteht aber offensichtlich nicht ihre Grundpfeiler. So kommt es mir jedenfalls vor.
Was ich mich also seit längerem frage: Wie würde heute die österreichische Modelandschaft ohne das ominöse Fördersystem aussehen? Schließlich gibt es ein solches in Deutschland nicht und da hat sich ja auch viel entwickelt.

Daisydora: Ein Fördersystem, so gut und richtig es im Idealfall sein mag, kann nur Hilfestellung bieten, auch als junger Designer international präsentieren zu können und zwar in Anwesenheit der Leute, auf deren Urteil es ankommt: Die internationalen Einkäufer und die Modepresse. Man kann es sich als Jungdesigner ja in der Regel nicht leisten, die Kollektion in Paris und New York zu zeigen.

Fördersysteme können aber nichts daran ändern, wie die Modebranche heute international funktioniert, in der immer mehr Mode- und Luxuskonzerne das hochprofessionelle Management der Labels steuern und die Marken zum Erfolg finanzieren. Da braucht man als unabhängiger Designer schon mehrere Erbtanten und ein tolles Team, das ja teuer ist, um das ohne Backing durch ein großes Unternehmen zu stemmen.

Das ist der Hauptgrund dafür, warum tolle Designer aus Österreich zu großen Teilen wieder aufgegebenen haben. Bei den deutschen Kollegen ist der Heimmarkt ja zehnmal so groß … und trotzdem verschwinden so viele Talente wieder von der Bildfläche oder hangeln sich mit Zittern und Zagen von einer Saison zur nächsten, weil die treuen Orderkunden fehlen. Und die fehlen, weil die Leute nicht in Paris und New York präsent sind und dort werden neue Designer nun mal entdeckt.

Was ich damit meine: Wenn ein begabter Helmut Lang oder eine Ann Demeulemeester heute als Neulinge in den Markt hinein wollten, die würden das auch nur mit Hilfe von Fördersystemen, Finanziers und den Organisationsstrukturen, die der Markt und sein Wettbewerb den Designern diktieren, schaffen. Was sagst du dazu?

Und wie sehr unterstützen eigentlich österreichische Modeblogs die heimischen Designer? Welche sind da wichtig als Themenführer? Würdest du Österreich generell als gutes Bloggerland bezeichnen oder eher nicht?

Maria Ratzinger: Ich bin kein Fan von „nur“-Aussagen. Wie man erst kürzlich bei Gareth Pugh gesehen hat, können sich auch Avantgarde-Talente einen Namen machen. Inwiefern sie dann ihre Namen monetarisieren können, in der Avantgarde-Liga läuft es ja eher über die Lizenzierung und Kooperationen, ist eine andere Sache. Mein eigenes Fazit unserer Diskussion hier: Ich möchte kein junger Designer sein. Selbst solche mit einem sehr reichen Background können gewaltig „auf die Papp’n fliegen“ (ich übersetze das mal simultan: auf der Nase oder der Schnauze landen), wie man in Wien sagt. Ein Beispiel, das zeigt, wie sehr man sich verkalkulieren kann, ist der Versuch der Reanimation von Halston. Ein großer Name aus den 70ern, der mit Harvey Weinstein einen großen Geldgeber hatte. Mit Marios Schwab, Sarah Jessica Parker oder Rachel Zoe hat man zwanghaft versucht die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch es hat trotz des großen Kapitals nicht gefruchtet. Warum auch immer… Es kommen zu viele Parameter zusammen, die einen Erfolg garantieren, als dass man es nur mit Geld wirklich beeinflussen könnte.
Das ist ja nicht nur in der Modebranche so, allerdings kann man hier das „Leben“ und „Sterben“ sehr gut plakativ darstellen.

Die österreichische Modeblogger-Szene ist natürlich wie das Land, eine relativ kleine, allerdings funktioniert der Zusammenhalt gut. Bis jetzt habe ich keine offenen Kämpfe oder ähnliches erlebt. Diskussionen wurden immer sehr sachlich geführt. Über junge Designer zu berichten, läuft immer mit. Man geht auf die Mode-Events hier, trifft sich dabei, berichtet über Neuigkeiten von den einzelnen Labels – Entwicklung liebt man ja als Nachrichtenmacher 😉 – und transportiert diese mit.

Ich muss offen und ehrlich zugeben, dass ich lange Schuldgefühle hatte, weil ich es mir nicht leisten kann, meine Garderobe mit kleinen Labels zu füllen und sie so zu unterstützen. Bis mir eines Tages bewusst wurde, dass mein Blog und die Berichterstattung auch einiges wert sind. Das tollste ist, wenn man Beziehungen zu den Label-Machern aufbaut und sich mit jedem ihrer Schritte freut und das auch transportieren kann.

Ich habe beispielsweise mit einer befreundeten Bloggerin eine Zeit lang „Fashion Blogger Lunches“ gemacht, die eine Handvoll Blogger mit einem jungen Designer und seiner aktuellen Kollektion in eine Hotel-Suite eingeladen haben. Das war eine sehr gute Möglichkeit, um nicht nur über die Kollektion und ihre Inspirationen zu reden, sondern auch die verschiedenen Verarbeitungsqualitäten sensorisch erfahrbar zu machen. Wie groß der Bedarf ist, haben wir auch jetzt anlässlich der nächsten Runde des FashionCamp Vienna, das im September 2012 stattfinden wird, gemerkt.

Als wir unsere Community gefragt haben, was sie sich wünschen, kamen „junge Designer“ sofort als Feedback. Inwiefern wir sie sinnvoll einbauen können, müssen wir natürlich noch besprechen.

Ich würde mich aber auch freuen, wenn österreichische Medien die heimischen Modemacher in ihrer Berichterstattung auf eine Ebene mit den Internationalen heben und nicht ein „Austria“-Special im Heft machen müssen, dass sie sich auf die Fahnen schreiben, was aber unweigerlich eine „Alienisierung“ mit sich bringt.

Daisydora: Ich möchte das gerne so stehen lassen.

Vielleicht nur das: Freundlichkeit ist schon was Herrliches. Man merkt deinen Aussagen über die Befindlichkeit der Bloggerszene den größeren Willen und die vorhandene Freude an freundlicher Kommunikation an, wie man sie in Österreich möglicherweise häufiger antreffen kann. Wenn ich bei uns eine Einladung zu unserem Bloggerkarussell an eine Bloggerin maile, dann gibt sie mir durch konsequentes Nichtantworten zu verstehen, dass sie die Königin von Saba ist und es daher nicht nötig hat, mir zu antworten …. daran wird sich die Wienerin in mir wohl nie gewöhnen.

Wir danken dir sehr herzlich für das interessante Gespräch – und dafür, dass du dir die Zeit dafür genommen hast, obwohl du als rasende Mode-Reporterin und mit deinem Blog Stylekingdom mehr als genug zu tun hast.

Alles Gute weiterhin für dich Maria und ich hoffe doch, wir lesen mal was von dir im Rahmen des Bloggerkarussells.

Bilder: www.stylekingdom.com, Universität für Angewandte Kunst, Stadt Wien

  • Eveline
    21. November 2011 at 00:01

    Ein interessantes Gespräch, noch dazu gut geschrieben/gut zu lesen. Danke!
    Etwas erschreckend finde ich, dass in der Ausbildung an der Angewandten nicht so großer Wert auf perfekte technische Fähigkeiten gelegt werden soll. Man stelle sich einen Architekten vor, der Häuser entwirft ohne fundiertes Wissen über Baustoffe und Statik. Ich hoffe doch sehr, dass dies nicht die Regel ist, trotzdem kann ich Daisydoras Beobachtung aus derm ersten Teil bestätigen: „Dann entsteht da ganz schnell ein Bild, dass Klamotten von Jungdesignern teuer sind, aber das Geld leider nicht wert“.

  • michaela
    21. November 2011 at 00:25

    gutes ausführliches gespräch!
    noch zur angewandten, die muss ich schon ein bissi verteidigen: es ist zu allererst eine kunst-uni und keine handwerksausbildung, das unterscheidet übrigens auch den baumeister vom architekten. das heisst übrigens nicht, dass es keine fachausbildung gibt, schaut euch mal den lehrplan an. das hauptaugenmerk liegt aber sicher nicht auf dem nähen.

  • Daisydora
    21. November 2011 at 10:38

    @Eveline

    Dankesachön …

    Das mit der mangelnden hangwerklichen Ausrichtung der akademischen Ausbildung an der Angewandten ist wirklich schwierig zu verifizieren. Einerseits stimmt, was Michaela im Kommentar unter dir schreibt, andererseits wollen einige der Absolventen auch Labels gründen und tun das auch und scheitern dann an den Schnitten und so weiter. Aber das mit den Schnitten ist ein Problem, das selbst etablierte Labels haben.

    Schon etwas abseits der Realität, dass Leute ohne geeignete handwerkluche Fähigkeiten von solchen Unis abgehen, die dann aber in der Praxis leider nicht auf Trosse von tollen Handwerkern im Schnitt- und Fertigungsbereich zurückgreifen können.

    @Michaela

    Vielen Dank ….

    Das stimmt ja, was du sagst. Aber Mode als Kunst gibt es eben nur im Objektbereich, oder? Ich verstehe den Ansatz und akzeptiere diese Aussage auch, aber im Beruf muss mna erst mal Marc Jacobs oder Karl Lagerfeld sein, um sich leisten zu können, nur das Kreative zu verantworten.

    Die Leute wollen ja Designer sein und viele davon wollen eigene Kollektionen unter ihrem Namen in den Markt setzen …

  • Hallo Maria, lass uns weiter über Wien als Modestadt und Heimat für Modeblogger reden… | Placedelamode
    21. November 2011 at 11:08

    […] Hallo Maria, lass uns weiter über Wien als Modestadt und Heimat für Modeblogger reden…  » http:// horstson.de […]

  • michaela
    21. November 2011 at 13:58

    @Daisydora tja, die angelegenheit ist eben komplex, das werden wir hier auch nicht lösen können… trotzdem: für mich ist eine akademische ausbildung ab abschluss master level keine reine berufsausblidung, es ist ein unding die universitäten – ob künstlerisch oder nicht, spielt da gar keine so grosse rolle – so zu verschulen, wie das bei uns seit mittlerweilen jahrzehnten passiert.

    wie auch immer legt sich ja gerade bernhard willhelm derzeit stark dafür ins zeug, dass die studierenden ordentlich knowhow erwerben wie zb die lange vernachlässigte technik/kunst der drapierung. schnittzeichnen ist sowieoso pflichfach, nur hingehen muss man halt auch. viele jammern übrigens, weil sie so viel lernen müssen, wie ich aus sehr verlässlicher quelle weiss…

  • Daisydora
    21. November 2011 at 15:07

    @michaela

    In der Tat. Man kann dem ja nicht widersprechen, was du hier anführst und es gibt ja genügend andere Ausbildungsangebote, die das Handwerkliche ins Zentrum rücken …. aber ich frage mich, wie sich der Knoten dann später im Beruf lösen soll…

    Dass Bernhard Wilhelm so ausgewogen lehrt, wusste ich nicht … dann haben wir womöglich Defizite bejammert, die es im Moment gar nicht gibt … 😉

  • AUSTRIANFASHION.NET
    23. November 2011 at 10:46

    Wir sind leider sehr enttäuscht über diese verzerrte und einseitige Darstellung der Szene. Probleme gibt es hier zuhauf, doch liegen diese ganz woanders.

  • Mia
    5. Dezember 2011 at 16:21

    @AUSTRIANFASHION.NET
    Wäre nett, wenn man dies dann hier auch näher beleuchten könnte. Es wird immer beschwert, dass nicht die richtigen Themen oder Probleme angesprochen werden und selbst werden diese aber nie erörtert.
    Eigenartig.