Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich tatsächlich gedacht, dass das Model Lorens Miklasevics im Gesicht tätowiert ist. Schaut man sich die Bilder aber genauer an, fällt auf, dass die Farbe eher an Filzstift als an Tinte erinnert. Macht nichts – die Kampagne ist trotzdem sehenswert und erinnert nicht am Entferntesten an naive, kindliche Kritzeleien, sondern ist – genauso wie die Kollektionen von Alessandro Michele – ein Wimmelbild der Mode par excellence.
Allein die offiziell kommunizierten Inspirationsquellen machen schon klar, dass wir hier eben nicht nur schnöde Fotos sehen, die von Glen Luchford inszeniert und von Christopher Simmonds gestylt wurden, sondern um eine komplexe Geschichte: Das Haus und Atelier des Expressionisten Cy Twombly (dessen Werk übrigens vor Kurzem in einer großen Ausstellung in Tate Modern präsentiert wurde), die Arbeit des postmodernen Malers und Collagisten Mario Schifano und Einflüsse der Schauspielerin Laura Betti liefern den Stoff, aus dem Kampagnenträume sind.
Für die Tiere waren übrigens nicht die Tierpräparatoren von Deyrolle zuständig – die Models, neben Miklasevics habe ich noch Daisy Cvitkovic, Dwight Hoogendijk gesichtet, mussten sich im wahrsten Sinne des Wortes in die Höhle des Löwen (und des Tigers und der Giraffe) wagen. Und spätestens das macht dem Betrachter klar, dass Träger der Kollektionen von Alessandro Michele auf verschiedenen Ebenen Mut beweisen sollten …
Wer sich bis hierher durchgekämpft hat, wird natürlich noch belohnt: Hier das sehr sehenswerte Video zur Kampagne, zu der die italienische Künstlerin Nada den Soundtrack beisteuerte – allerdings unbewusst: „Amors Disperato“ wurde schon im Jahr 1983 veröffentlicht …
vk
16. Dezember 2016 at 14:08Sono un grande fan.
PeterKempe
16. Dezember 2016 at 14:45Da muss ich nicht zwei mal hinschauen um sofort meine Favoriten zu entdecken ! Großartig !
vk
16. Dezember 2016 at 16:37dieser dandy-punk-mist ist einfach geilstens. konzeptionell eine offenbahrung.
das sage ich aus voller ueberzeugung, aber fast gegen meinen eigenen instinkt, denn eigentlich ist mir das, was sich seit jahren auf dem deutschen blog dandy diary in nicht ganz unaehnlicher weise aufstellt, zu tiefst zu wider. diese differenz ist interessant. sie legt sich auch jetzt durch gucci nicht. dandy diary finde ich immer noch grauenvoll, gucci allerdings wirklich grossartig. wahrscheinlich liegt es daran, dass bei michele eben doch ganz andere kulturelle dimensionen wirken, als die reine, bitterironische konsumparty. ich weiss es nicht, es ist mir auch egal. hier jedenfalls finde ich das zerstoererische moment ganz wunderbar und befreiend. man braucht sich nur die tristesse zu vergegenwaertigen, die einem bei instragram bestaendig unter #dapper #rake #sartorial um die ohren fliegt, oder die farbenfreudige energieimplosion in den dandy buechern im gestalten verlag. was am klassischen dadyism so leicht und deutlich nervt, und eigentlich nur in homoeopathischen dosen geniessbar ist, ist natuerlich dieses verweigernde element, die kultivierte defensive hinein ins aesthetische. an sich grossartig, aber als massenbewegung ermuedend. nervig deshalb, weil es eben auch fuerchterlich impotent sein kann. wenn alle sartorialen geheimnisse erzaehlt sind – die krawatte vom flohmarkt xyz, die 17oz jeans der kleinstmanufaktur in tokio – was bleibt dann schon?
da ist es natuerlich umso schoener, dass michele sich um den herkoemmlichen dandy wenig kuemmert, sondern stattdessen wie ein antiker faun mit blutschwerem riesenpenis durch die bude tobt.
das ist schon wirklich toll. greift in ganz unterschiedliche ebenen. und eigentlich muesste ich jetzt mehr zeit haben, dem weiter nachzuspueren, hab ich aber nicht.
love it.
sono un fan.
PeterKempe
16. Dezember 2016 at 17:19Sono un fan de vk!
René´
16. Dezember 2016 at 17:35H&M, D&G, hier ne Flache in‘ Po, da eine Deutschlandfahne auf’s Sweatshirt – Die Herren von Dandy Diary machen das, was sie machen, vermutlich um von irgendetwas abzulenken bzw. um Aufmerksamkeit zu generieren, während Michele den Fokus eben auf Stil legt.
stephan meyer
17. Dezember 2016 at 10:38Ich finde Gucci scheusslich und das gefällt mir, endlich fühle ich mich mal wieder etwas provoziert…und zwar anders provoziert, als von Dandydiary oder den echt furchtbaren Gestalten-Dandy-Büchern. Irgendwie ist Provokation aber here and now gar kein Thema. Mich provoziert bei Gucci wohl auch die Pseudo-Provokation und die völlige Leere der Models, die eigentlich ganz im Jetzt der Post-Provokation scheinen. Aber immerhin: ich schaue hin und mache mir Gedanken.
Stephanberlin
17. Dezember 2016 at 12:57Eine wahnsinnige Reizüberflutung ist es allemal!
vk
18. Dezember 2016 at 01:56ganz meinerseits. mutual admiration society. oder wie man heute sagt: echo chamber internet.
gotta love it!