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Gesucht – alles Schöne von Hedi Slimane … Saint Laurent Runway-and-Reality-Check

Was zwischen Anfang März diesen Jahres und jetzt aus dem California Grunge Hedi Slimanes wurde, den er in seiner viel diskutierten zweiten Damenkollektion für Saint Laurent zeigte, kann man zum Beispiel in den Onlineshops mytheresa und net-a-porter betrachten: Ganz normale High-Fahion, gekonnt mit einem Hauch von Rock-Chick-Allure und etwas tiefschwarzer Pariser-Neoexistenzialisten-Attitude versetzt.
Weit und breit nichts von Grunge zu sehen. Ich bin trotz der Tragbarkeit und Hochwertigkeit der Kollektionsteile geneigt zu sagen – leider … denn, da waren schon noch einige Kleidchen, Jacketts und so weiter drunter, die ich gerne im Handel gesehen hätte. Aber ganz sicher werden Spurenelemente dieser Trafalgars bei Saint Laurent in Paris und anderen Flagshipstores zu kaufen sein. Wirklich viel oder alles, das er in der Schau im März in Paris gezeigt hatte, gibt es aber höchstwahrscheinlich nirgends. Ihr gebt ja Bescheid, sollte jemand tatsächlich irgendwo in einer Saint Laurent Maison alle Outfits finden.

Doch bevor ich noch das eine oder andere Wort darüber verliere, ob ich es gut finde, wie sehr hier und bei anderen High-Fashion-Labels Runway und Realität auseinander driften, zuerst mal die richtig guten Teile.

Los geht es mit zwei tiefschwarzen Kleidern: Einem Crepé Dress, dessen raffinierter Schnitt den Seidencrepé schön schwingend fließen lässt, mit überlangen Ärmeln, was sehr elegant aussieht und dann kommt da noch eine flach gebundene Schleife dazu. Das ist Paris pur! Nicht weniger französische Allüre zeigt das Kleid aus Seiden-Chiffon und schwarzem Leder. Das Leder-Oberteil, sehr knapp und wie eine Weste mit V-Dekolleté geschnitten. Ebenfalls aus Leder, die Manschetten an den eleganten, oberhalb der Manschetten leicht gerafften Chiffonärmel.

Für Rock-Chicks und solche, die so was ähnliches werden wollen, gibt es die sehr schmal geschnittenen Leather Trousers mit überlangem Bein. Als elegantes Zitat auf die immerwährenden Klassiker Yves Saint Laurent’s, die Smokings für Damen, hat Slimane einen Tuxedo-Wool-Blazer mit Seidensatin-Revers vorbereitet. Den kann man, wenn ich da nicht irre, genau so lange zu vielem tragen, wie die Vorläufer aus den Siebzigern und Achtzigern.

Modisch und mit etwas Grunge in Spurenelementen, das Open Weave Wool Cape, das aber auch nicht soooooo nach einem Nachmittag „on Venice Beach“ sondern eher nach einem Treffen mit der besten Freundin bei Ladurée in der rue Royal aussieht … Der schwarze Ledermini mit silberfarbenen Ketten- und Zipper-Details ist wieder die Reminiszenz an den Nachwuchs der Nouveau Riche und deren Rock-Chick-Fantasien … Aber auch das gab es in der Runway Show zwei bis dreimal wilder, mit mehr Ketten und Schlitzen und so weiter.

Eins zu eins wie in der Schau kann man das schwarze Straußenfeder-Jacket, das eigentlich so ein längeres Bolero-Jäckchen ist, kaufen. Sieht toll aus, wenn einem diese hippieesken Westenteile stehen und man mutig kombiniert. Ich mag den Stil.

Zwei Biker-Jackets, wie sie im High-Fashion-Buche stehen könnten, wenn es das gäbe, sind die Saint Laurent-Kleiderschrank-Investments dieser Saison. Kosten beide jeweils über 3.000 Euro, hat man aber ein Leben lang, so man nicht allzu wild damit umgeht.

Für etwas weniger ist ein dekoratives Accessoire, der Silk Chiffon and Leather Collar, so ein Lederhalsband mit Seidenschleife dran, zu haben. Damit motzt man dann alles mögliche, das man schon hat auf … trägt es zum T-Shirt, einem Herrenhemd oder über einem Cardigan oder einem schmalen Pulli …
Dass Hüte ein großes Thema für Hedi Slimane sind, hat uns schon seine erste Kollektion gezeigt. Daher sollten all jene unter euch, denen solche Hüte gut stehen, doch noch mal scharf drüber nachdenken, ob sie nicht doch so eine der schwarzen oder grauen Fedoras „brauchen“.

Die schönsten Brogues der Saison für Frauen und in Schwarz kommen auch von Saint Laurent. Die nennen sich Army Derby Leather Brogues und sind bis hin zu den Schnürsenkeln aus diesem schwarzen und robusten Leder mit Glanz. Auch ein Schmuckstück sind die Patti Leather Boots, die mir wie die Brogues besonders gut zu den beiden schwarzen Kleidern gefallen würden.

Wer ohne High-Heels nicht aus dem Haus geht und Mary Janes liebt, dem kann geholfen werden: mit den spitz geschnittenen Mary Janes aus schwarzem Leder, mit gemäßigtem Plateau und Absätzen von mehr als zehn Zentimetern … oder auch mit den sehr chicen Janis Shearling Trimmed Leather Boots, deren Pelzbesatz daran erinnert, dass es nach dem sicher sehr langen und heißen Sommer auch mal wieder Winter werden könnte …

Alles sehr schön, aber nichts, das eine unverwechselbare Kollektionsidee mit Jahreszahl oder gar Saison durchblicken lässt. Saint Laurent ist so hochwertig und teuer, dass man die Sachen länger tragen will, das schon. Aber muss der Unterschied zwischen Runway und Realität wirklich so groß sein? Ist es nicht völlig egal, wenn man einem coolen California Grunge Outfit aus der Winterkollektion 2013 nach zwei Jahren ansieht, dass es nicht aus dieser Hedi-Saison ist? Und was ist in diesem Zusammenhang mit der Zukunft von Vintage? In zwanzig Jahren könnte man eines der Winter-2013 Saint Laurent-Grunge-Kleidchen wohl kaum mehr aus dem Stand bezahlen ….

Ein wenig mehr Mut und Risikofreude wünsche ich mir da auch im Onlinehandel. Da bestellen Leute heute Klamotten, die man noch vor wenigen Jahren nur nach reiflicher Überlegung und zwei Anproben, in Begleitung von modischen Vertrauenspersonen gekauft hätte … man findet auch total verrücktes Zeugs, das zu tragen, viel mehr Mut erforderte, als der Grunge von Slimanes Gnaden, aber trotzdem trauen sich die Einkäufer nicht drüber. Was mich nicht dazu veranlasst, an deren Treffsicherheit zu zweifeln; mir nur die Frage abringt: Warum kann man dort quietschige Kleider von Peter Pilotto und Freunden verkaufen, aber keinen California Grunge by Slimane an die hoch modeaffine Frau bringen?

Darauf hätte ich bitte gerne eine Antwort!

Was sagt ihr zu dem immer größer werdenden Gap, das zwischen Runway und der Realität im Modehandel klafft, liebe LeserInnen?

  • peter
    5. August 2013 at 11:34

    Ein Problem das es schon in den Achtzigern gab und man musste schon immer wütende Konsumentinnen am Telefon besänftigen.Runway Looks wurden immer schon egrn gezeigt und damit die Kaufkunden verärgert das ist ein wirkliches Problem.Oder 80 Frauen balgen sich um zwei taschen…..find ich grundsätzlich blöd!

  • neonbeige
    5. August 2013 at 12:38

    Ich finde es STINKLANGWEILIG! So out! Auch im Laden.

  • Jan who
    5. August 2013 at 14:09

    Kommt in den store 😉

  • Claudia Grande
    5. August 2013 at 15:17

    Ich dachte tatsächlich, es liegt irgendwie an mir, dass ich die Grunge-Klamotten online nicht finde.

  • Daisydora
    5. August 2013 at 15:24

    @Peter

    Da sind wir schon zwei, die das doof finden. Verknappung ist bei Luxusware OK (ist ja immer wie beim After-Christmas-Sale in NY, wenn sieben Frauen an einem Pulli hängen, der noch 2000 Euro kostet …) aber so ist mir das auch zu weit weg von richtigen Marketingentscheidungen, obwohl ich auch die All-Time-Klassiker aus dem Onlinehandel mag … 🙂

    @Neonbeige

    OK, ist immer noch Geschmackssache … 😉

    @Jan Who

    Auf jeden Fall … aber man sollte das schon mal wieder so halten, wie zu Tom Ford Zeiten. Da gab es alles zu kaufen …. 🙂

    @Claudia Grande

    Nein, tut es nicht … bei Luisaviaroma ist es etwas besser, aber im Prinzip ist es das sonst … 🙂

  • Horstson
    5. August 2013 at 17:54

    Erinnert mich an einen Kommentar eines Lesers der in MUC bei Prada was kaufen wollte….

  • Schöne Sachen, F10 | Horstson
    13. August 2013 at 15:10

    […] Army Derby Leather Brogues von Saint Laurent hatte ich euch schon vor einigen Tagen gezeigt … macht nichts, denn die sind zu den Looks einfach das passende Schuhwerk. Zu der […]