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Es war die Hölle: Mode als Religion

mode als religion
Bild: VOX

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Über 16 Monate hat sich Karl Lagerfeld für die Dokumentation „Mode als Religion“ von der Autorin Martina Neuen für VOX mit der Kamera in seinem Arbeitsalltag zwischen Modenschauen und Fotoausstellungen begleiten lassen und über sein Leben, seine Karriere und die Besonderheiten der Modewelt gesprochen. Hört sich auf den ersten Blick gut an, die Senderwahl macht aber schon klar, dass es mit Sicherheit kein Hochgenuss wird, was auf ca. 4 Stunden aufgeblasen am Samstagabend zu sehen ist. Eine Mischung aus gängigen VOX Formaten wie „Auf und davon“ und hohem Fremdschämfaktor machten Höhepunkte, die es in Spurenelemten wirklich gab, wie die Einblicke in die Arbeit von Gerhard Steidl & Christiane Arp und die leider viel zu kurze Autofahrt mit Inès de la Fressange, zunichte …

Man fragte sich, warum ein „Mode-Verkäufer“, so der eingeblendete Untertitel, gefühlte 5 Stunden der vierstündigen Dokumentation gezeigt wurde, wie er sich zum Beispiel nicht erfolgreich in die CHANEL-Show schmuggeln konnte und noch viel weniger erfolgreich Prof. Dr. Bak von der Hochschule Fresenius in Köln einen besseren Look verpasste – Kapuzenhemden sind bekanntlich der Vorhof zu Hölle und das Grand Palais in Paris ist nicht das Zelt der Fashionweek in Berlin. Lustig fand ich das Gesicht von Suzy Menkes, als der Mode-Verkäufer und Blogger sie fragte, ob sie ihn nicht zur Show nehmen könnte – entweder die Frage war als dramaturgischer Höhepunkt der Dokumentation gedacht oder es hat sich noch nicht bis nach Düsseldorf rumgesprochen, dass die Journalistin nicht zu unrecht ein gespaltenes Verhältnis zu den Pfauen in der Manege hat.
Gänzlich gefehlt haben leider Einblicke in die Ateliers der Schmuckmacher Robert Goossens, dem Hutmacher Michel, dem Maß-Schuh Atelier von Massaro, die Blüten- und Federaccessoires Hersteller Lèmarie und Desrue – sozusagen die Hohepriester der Mode, die man nicht unter den Tisch fallen lassen darf, wenn man schon Lagerfeld auf Teufel komm raus heilig sprechen will.

Modepapst, Modebibel, Modeheilige, Modejünger … mit aus dem Kirchenjargon entlehnten Begriffen wurde bei „Mode als Religion“ leider nicht gespart – ein nach 4 Stunden Fernseh-Predigt sehr naheliegender und gut beschreibender Begriff fiel übrigens auch: Kirchenaustritt. Amen.

  • Martin
    8. September 2013 at 00:52

    Genau die einzelnen Ateliers wo die Stickereien entstehen, die Spezialistinnen für Federn arbeiten, ec waren Elemente auf die ich meine ganze Hoffnung gesetzt hatte. Quasi einen besseren Einblick hinter die kreativen Umsetzer der Ideen. Leider Fehlanzeige. Die genaue Arbeit der Leiterin des Ateliers kam mir persönlich auch zu kurz…

    Nunja, nach Einladungen zu den Schauen vorm Eingang wird wohl weltweit gefragt und nicht NUR in Berlin, es jedoch vor eine Haute Couture Show zu tun ist schon leicht…ähm…ja…

    Zusammenfassung: enttäuschend

  • PeterKempe
    8. September 2013 at 01:15

    Sehr sehr schade! Ich hatte mich sehr darauf gefreut und dann so einen Schrott! Karl Lagerfeld haette ein schoeneres Geburtstagsgeschenk verdient! Und auch mehr Hintergründe waeren toll gewesen! Wie gut das Horstson Leser ein groesseres Grundwissen uber Karl Lagerfeld haben als die x4 Stunden seichte Sendung vermitteln konnte!

  • Bünyamin
    8. September 2013 at 02:40

    Ich stimme dir voll und ganz zu ! Leider habe ich sehr viel erwartet und wurde deshalb auch ziemlich enttäuscht. Da ist mir meiner Meinung nach die Dokumentation “Im Hause Chanel“ sehr viel lieber.

  • Susanne Lindner
    8. September 2013 at 09:04

    Klasse kommentiert Horstson. danke!
    Eine Dokumentation auf Vox Format schließt (immer) fremdschämen ein! Das allerdings Karl Lagerfeld diese Fornat genehmigt hat, ist enttäuschend!
    Die wenigen echten Highlights, sind überschattet von dem Modeverkäufer, der ja deutlich erkennbar für das Unternehmen in Dusseldorf arbeitet, welches meines Wissens für den Vertrieb von „Karl“ zuständig ist… Da kann Werbung ja nicht schaden!
    Horror diese endlos langen Styling Einstellungen von Fashionvictim Marco.
    Auch ich hatte mir mehr Einblick in Karls wirkliches Schaffen gewünscht!
    Schade auch, dass die Protestaktion von Greenpeace vor der letzten CoutureShow von Chanel im März 2013 vor dem Grand Palais nicht gezeigt wurde, und auch nicht nach Karl’s Einstellung zu den Produktionsbedingungen der Luxusmarke gefragt wurde! Das wäre mal interessant gewesen mit diesem Thema ein Vox-Publikum zu konfrontieren…

  • Rina
    8. September 2013 at 09:46

    Ich war oft sehr gelangweilt, insbesondere dieser Modeverkäufer hat mich extrem genervt !!
    Gefreut habe ich mich über die herrlich erfrischende Inès de la Fressange.
    Alles in allem enttäuschend !

  • Temperance
    8. September 2013 at 09:59

    @ Horst-danke sehr gut kommentiert.

    Der Zeitpunkt für die Ausstrahlung auf Vox war gut gewählt.
    Fast zeitgleich mit den Ladeneröffnungen von „KARL Lagerfeld“.Ich denke,dass die „Schnittmenge“der Voxzuschauer und der angepeilten Käuferschicht für „KARL Lagerfeld“relativ hoch ist.

    Um im Religionsjargon zu bleiben:Gott sei dank gibt es HORSTSON und Arte Produktionen.

  • Julia
    8. September 2013 at 10:03

    Danke!

  • Alex
    8. September 2013 at 10:41

    Hi, so ging es mir auch. Ich hab schon einige Dokumentationen über Karl Lagerfeld gesehen, deshalb hab ich mich auch gefreut. Aber das war ja der Witz überhaupt. Sehr schade. :/

  • Die Woche auf Horstson | Horstson
    8. September 2013 at 11:48

    […] bin noch schwer irritiert von der 4-stündigen Dokumentation über Karl Lagerfeld, die gestern Abend auf VOX gezeigt wurde. Ich hätte gerne auf 3 Stunden daraus liebend verzichtet und speichere jetzt einfach nur […]

  • loewenherzblut
    8. September 2013 at 16:46

    Es ist alles gesagt.

    Was mich jedoch an Karl Lagerfeld immer wieder stört, ist, dass er den korrekten Umgang mit den Komparationspartikeln nicht beherrscht. Da könnte ich mich jedes Mal fremdschämen.

  • Stephan Berlin
    8. September 2013 at 21:19

    Bei mir ging der Schuss total nach hinten los, ich fand nicht nur die Sendung blöd sondern danach auch noch KL selbst. Der Tiefpunkt war erreicht, als ich mir nach der Sendung die KARL Website angeschaut habeM

  • Daisydora
    9. September 2013 at 10:08

    So, nun hab ich das Ding auch gesehen … was schwer auszuhalten war … zu viel heisse Luft mit Schaum!

    Es beweist sich immer wieder, dass nicht jeder, der zufällig beim deutschen Fernsehen gelandet ist oder Aufträge bekommt, das auch wirklich kann, was er oder sie vorgibt zu können. Man muss Inhalte kuratieren können, um gute Dokumentationen zu machen.

    Und ich verstehe wie Stephan Berlin auch gar nicht, warum Lagerfeld sich mit so einer billigen PR Show für die Lagerfeld Shops selbst verheizt.

  • Siegmar
    9. September 2013 at 12:05

    ich habe nach knapp 1/2 Std. ausgeschaltet. Es hat mich in meiner Entscheidung mehr als bestärkt zu diesen Sendern wie VOX und Konsorten nicht hinzuschalten. Wer eine Fr.Katzenberger als Star verkauft hat auch keine Probleme Lagerfeld zu “ verwursten „

  • The True Diva
    9. September 2013 at 13:17

    Was bitte schön enttäuscht eigentlich alle so an dieser Reportage? Und wieso glaubt ihr, dass durch die Beauftragung eines anderen Senders „mehr“ Inhalt aus der anderthalbjährigen Dauerbegleitung des Kaisers herauszuholen gewesen wäre?

    Was hättet Ihr sehen wollen? Eine vierstündige Dauereinstellung wie die Hände der Näherinnen das Muster für ein Couture Kleid fertig sticken? Selbst dass wurde schon tausendfach in anderen Dokumentationen über Karl und seine Arbeit für Chanel gezeigt!

    Die Schuld daran, dass modebewanderte Zuschauer
    nicht „Neues“ über Lagerfeld erfahren konnten, liegt aber doch nicht beim Sender, sondern an der medialen Dauerpräsenz des Modemachers.

  • Volker
    10. September 2013 at 11:08

    Danke!

  • Daisydora
    10. September 2013 at 12:35

    @The True Diva

    Ich kann hier nur meine Sicht auf das „Problem“ und die Erwartungshaltung wiedergeben, und da wäre mal der vollkommen überzogene Titel, dem die Doukumentation dann nicht gerecht wurde. Die BBC hätte das auch ne Nummer kleiner gehabt und besser gemacht.

    Ganz sicher sollte das keine vierstündige Sondersendung über die erhaltenswerten Kulturtechniken der Couture sein, damit hast Du recht, aber so trivial hat sie für viele eben auch nicht funktioniert.

    Wenn man so lange gucken soll, müsste da schon ein Mehrwert dahinter stecken, ein Erkenntnisgewinn über Mode und Karl Lagerfeld in allen Facetten. Oder?

    Aber zum Glück sind solche Berichte ja keine Dogmen, etwas auch tendenziell misslungen finden zu müssen. Wem’s gefallen hat, dem hat es ohnehin gefallen … und das mit der medialen Dauerpräsenz sehe ich auch so, seit er (offiziell) mit Riekel und so weiter befreundet ist, und zu viele Kooperationen am Markt hat, leiden für mich Glanz und Glorienschein etwas darunter ….