Bild: Courtesy of Cartier
Bei einer Uhr von Zeitlosigkeit zu sprechen ist irgendwie komisch, denn nichts führt einem das Vergehen der Zeit mehr vor Augen als ein Zeitmesser.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Uhr ans Handgelenk gerutscht ist. Noch zu Beginn des Ersten Weltkrieges hatte fast jeder Mann eine Taschenuhr, die meist an einer Kette in der damals unabdinglichen Weste steckte. Die Armbanduhr, die zum Beispiel der Flugpionier Santos Dumont in seinen knatternden Flugzeugen trug und die sein Freund, der Pariser Juwelier Louis Cartier für ihn ersonnen hatte, war die Ausnahme und kein Serienprodukt – die Uhr wurde speziell für ihn angefertigt. Damen trugen Uhren hingegen versteckt als Schmuckanhänger an einer Kette oder eine kleine Version einer Taschenuhr, da es als unschicklich galt, eine Uhr mitzuführen.
Dass Damen ihre Uhren vor 100 Jahren versteckt getragen haben, hat bis heute zur Folge, dass Damenmodelle kleiner sind. Mittlerweile tragen Frauen aber, einfach weil es lässiger ist, häufig die Uhren ihrer Freunde oder kaufen sich gleich ein Männermodell …
Alfred Cartier und seine Söhne Pierre, Louis und Jacques (von links nach rechts), 1922; Copyright: Cartier Archives
Zurzeit findet in Basel die „Baselworld“, weltgrößte Uhren- und Schmuckmesse, statt, auf der alle Uhrenfirmen und Juweliere ihre neuesten Modelle vorstellen. Auch in diesem Jahr setzen sich zwei Trends fort: Die Formate sind relativ groß und es werden, mit Blick auf die sogenannten „neuen“ Märkte, also Russland und China, aber auch die arabischen Länder, häufig mit Diamanten übersäte Modelle gezeigt. Modeerscheinungen gibt es also auch bei Uhren, wobei die wahren Klassiker ungebrochen ihre Liebhaber finden. Eines der größten Phänomene der Branche und gleichzeitig eine Uhr, die, ähnlich wie bei Chanel N°5, die Ewigkeit gepachtet zu haben scheint, ist meine persönliche Lieblingsuhr. Es ist eine Uhr, von der ich schon als kleiner Junge geträumt habe: Die „Tank“ von Cartier.
Links: Cartier Tank von 1944, rechts: Cartier Tank „Must de Cartier“ von 1977; Bilder: Courtesy of Cartier
Die „Tank“ ist ein Jahrhundert-Klassiker im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie feiert in zwei Jahren ihren hundertsten Geburtstag. Louis Cartier entwarf die „Tank“ in einer der dunkelsten Zeiten des beginnenden 20. Jahrhunderts mitten im Ersten Weltkrieg. Sie war als Geschenk für den General Pershing gedacht. Der Name leitete sich von den damals neu eingeführten Panzern, die die Engländer „Tanks“ nannten, ab – eine Gedanke, der heute befremdend wirkt. Für einen General war es damals sicher passend. Die Linienführung der „Tank“ war damals wie heute überraschend modern, klar, die Bandansätze gehen nahtlos in die schlichten Kanten der flachen vertikalen Stege über.
Cartier hatte durch seine vielen avantgardistischen Freunde und Künstler längst mit Jugendstil und dem üppigen Stils des „Fin de Siècle“ abgeschlossen und wollte etwas Sachliches und Schlichtes, das der Zeit, die eine völlig veränderte Welt mit Demokratisierung und dem Aufbruch in die Moderne neue Anforderungen abverlangte, den passenden Zeitmesser an den Arm geben.
Ab 1919 ging die „Tank“ dann in Serie und wurde besonders in den Cartier-Filialen in New York und London zum Verkaufsschlager. Ganz schnell entwickelte sich gerade bei den jüngeren Leuten am Anfang der Zwanziger Jahre der Trend, das Taschenuhren altmodisch waren und Cartier stach mit seiner am Lederarmband getragenen neuen Sachlichkeit wie in ein Wespennest. Es gab fast gar keine Konkurrenz und Firmen wie Patek Philippe zogen erst später nach.
Keine Uhr ist an so vielen Prominenten fotografiert worden wie die „Tank“ und zwar lange bevor es das Wort „Celebrities“ überhaupt gab. Die Prominenten bekamen die Uhr von Cartier nicht zur Verfügung gestellt. Man wollte diesen Alltagsbegleiter, der edel und doch sportlich zu jedem Look passt, einfach haben und kaufte ihn, sobald man sich ihn leisten konnte. Das Besondere daran: Ob Freak oder Politiker, Künstler oder Konservativer – die Uhr schien nicht zu spalten. Sie ist ein Statement des guten Geschmacks und der Beständigkeit, ganz ohne zu polarisieren!
Links: Cartier Tank Oblique von 1963, rechts: Cartier Tank von 1919; Bilder: Courtesy of Cartier
Meine erste Begegnung mit der „Tank“ hatte ich als Kind, als ich in einer alten Modezeitung meiner Mutter aus den Fünfziger Jahren ein Bild des Modeschöpfers Jacques Fath entdeckte. Witzigerweise waren in der gleichen Ausgabe Bilder von Simone Signoret und Yves Montand zu sehen, wie sie beide am Strand eine „Tank“ am Handgelenk hatten. Die Uhr gefiel mir sofort und von da an sah für mich eine Armbanduhr, wenn ich sie zeichnete, immer wie die „Tank“ aus.
Andy Warhol trug sie, die Rolling Stones, Ingrid Bergmann, Jacqueline Bisset ebenso wie Pierre Bergé und Yves Saint Laurent im Partnerlook. Die berühmtesten Fotografen haben sie auf ihren Porträts eingefangen – manchmal scheint es so, als hätte es in den Sechziger und Siebziger Jahren kaum eine andere Uhr gegeben.
Mit dem Aufkommen der „Must de Cartier“-Linie kamen neue Varianten dazu und es wurde eine neue Käuferschicht erobert, die auch den Luxus in etwas legerer Form des „Juweliers und Uhrmachers der Könige“ genießen wollten. Zu jeder Zeit wandelte sich die „Tank“ etwas, passte sich der Zeit an, ohne ihren Charakter zu verlieren. Es ist mit den Produkten des Bauhauses vergleichbar: nichts ist zu verbessern. „Die Schlichtheit ist das, was das Auge fesselt und es sehen will“, wie Walter Gropius es formulierte.
Dass ein Zeitmesser auch Humor hat, zeigt zum Beispiel meine Lieblingsvariante aus dem Jahre 1963, die schräge „Oblique“, die aber immer noch eine hochedle „Tank“ ist.
Heute hat die „Tank“ auch ein modernes Kleid, das den Anforderungen des globalisierten Marktes und dem Verlangen nach neuen Formaten gerecht wird: Die „Tank Américaine“.
Eine Uhr wird immer mehr zum Schmuckstück und in vielen Kontinenten zum Statussymbol, denn in Zeiten von „ich schau mal schnell aufs Handy“ braucht man den klassischen Zeitmesser fast nicht mehr.
Aktuelle Kollektion. Links: Cartier Tank Américaine, rechts: Cartier Tank Anglaise; Bilder: Courtesy of Cartier
Das alles macht der „Tank“ nichts aus, denn sie wird auch die nächsten hundert Jahre noch das Auge erfreuen und uns von neuen Zeiten künden – Monsieur Cartier dürfte darüber sicherlich mit seinem breiten Lächeln, für das der fröhliche Mann bekannt war, antworten. Wie die Cola-Flasche oder der N°5-Flakon ist die „Tank“ längst im MoMa in der Design-Abteilung ausgestellt. Und sie wird hoffentlich irgendwann im Leben dann doch mal um mein Handgelenk liegen – aber man muss sich Wünsche ja auch erhalten …
Siegmar
23. März 2015 at 10:56sehr schön, die Tank Américaine wäre meine.
Horst
23. März 2015 at 11:00Die Oblique mag ich ehrlich gesagt gar nicht, die Anglaise natürlich schon 😀
Tim
23. März 2015 at 13:06Investition lohnt auf jeden Fall. Und um auf euren Facebookpost zurückzukommen, eine Apple Watch wird niemals mit einer „richtigen“ Uhr mithalten können 😉
Sven
23. März 2015 at 19:09Tank Anglaise!!! *herzchenindenaugen*
Monsieur_Didier
24. März 2015 at 11:09…mir persönlich gefällt die Cartier Tank Oblique sehr gut, die Cartier Tank Américaine, und die Tank Anglaise sind mir persönlich zu „wulstig“…
die Cartier Tank von 1944 finde ich auch noch ganz schön,
aber im Endeffekt sind mir die ganzen Cartier Uhren zu spielerisch und zu filigran…
ich mag und trage Omega-Speedmaster, was zugegebenermaßen ein ganz anderer Uhrentyp ist…
nichts desto trotz: ein schöner Artikel, der die Sendung über Cartier vor einiger Zeit auf Arte wunderbar ergänzt…
Get in line online! Die Apple Watch ist vorbestellbar | Horstson
10. April 2015 at 09:55[…] und sie in 40 Jahren vererbe, wird mein Nachlass vermutlich gleich ausgeschlagen. Mit einer Tank von Cartier wird das mit Sicherheit nicht passieren. Ihr merkt, ich bin (noch?) kein Fan der Apple Watch und […]