„Was geht in manchen Köpfen vor?“ – Das war meine erste Frage, als sich die Blogs und Nachrichtenmagazine, völlig zu Recht, auf den spanischen Moderiesen Zara gestürzt haben. Anlass war der mehr als geschmacklose und morbide Entwurf eines Kindershirts in Ringeloptik und gelbem Stern auf der Brust. Erste Assoziationen wecken sofort die Erinnerung an die Uniform von KZ-Häftlingen und den Judenstern. Das Shirt wurde mittlerweile aus dem Verkauf genommen, eine Entschuldigung des „eigentlichen Sheriff-Shirts“ folgte sofort …
Die Situation ist nicht nur schockierend, sondern auch hochnotpeinlich. Warum? Das Modehaus hatte bereits in der Vergangenheit Erfahrung gemacht, was es bedeutet, Accessoires und Kleidung mit Nazisymbolen zu versehen: 2007 zierten Taschen des Hauses neben bunten Fahrräder, Tieren und Blumen auch Hakenkreuze. Das Medieninteresse war berechtigterweise gewaltig und die betroffenen Produkte wurden nach einer öffentlichen Entschuldigung umgehend zurückgerufen. Mich würde es nicht wundern, wenn die Verkaufszahlen trotz Mühen zur Schadensbegrenzung, vorübergehend eingebrochen sind.
Eigentlich würde man denken, dass gerade ein global agierendes Unternehmen wie Zara alle zur Verfügung stehende Maßnahmen nutzt, um eine Wiederholung dieses Fauxpas für die Zukunft auszuschließen: Qualitätskontrollen sollten doch auch dazu dienen, dass gerade solche Situationen nicht zustande kommen, oder? Leider kommt es immer wieder dazu, dass vorbelastete Slogans und verbotene Symbole ihren Weg in die Kleiderschränke der Gesellschaft finden. Oftmals passiert das aus Unwissenheit, Konsumenten kaufen Kleidung und siehe da, auf einmal fällt selbst den weniger hellsten Kerzen im Weihnachtsbaum auf, dass es sich um einen Davidsstern handeln könnte (Daisydora hatte ausführlich von dem H&M-Skandal berichtet).
Ich finde, dass es zu diesem Moment definitiv nicht kommen darf: Zuallererst ist es die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und eine Frage des Respekts gegenüber Betroffenen, dann spielt natürlich immer der Aspekt der weltweiten Aufmerksamkeit eine entscheidende Rolle. Ein solcher Skandal kann, trotz unbeabsichtigtem Unfall und Entschuldigung, immer auch ein Opfer von Missbrauch werden. Gerade in der heutigen Zeit, in der Synagogen geschändet werden und judenfeindliche Äußerungen auf offener Straße ausgesprochen werden, darf so etwas definitiv nicht passieren.
Die Zunahme von rechtem Gedankengut hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen und ich finde, dass der „Sheriff-Shirt“-Skandal weniger als reißerische Headline eingereiht werden sollte, sondern vielmehr als eine Bestandsaufnahme, ein Wachrütteln gilt. So etwas DARF nicht passieren. Gleichgültige Stimmen werden mir in diesem Falle Emotionalität unterstellen, gerne: Ich gebe zu, solchen Themen begegne ich sehr emotional und ich könnte vor Wut weinen, wenn ich höre, dass dieses Kapitel „doch schon so weit zurückläge!“. Dieses Kapitel ist und bleibt Teil unserer Geschichte, auf unseren Schultern liegt eine Verantwortung, ob wir wollen oder nicht.
Es liegt an uns, Erinnerungen wachzuhalten, Kritik zu äußern und solche Vorfälle zu verurteilen. Heute, morgen und an jedem neuen Tag.
peter
28. August 2014 at 10:20An dem Tag, an dem die letzten Zeitzeugen sterben und sich die Unwissenheit breit machen wird, werden wir häufig solche Dinge erleben … Es ist so wichtig dass wir immer wieder daran erinnern, um in der Zukunft nie eine Wiederholung stattfinden zu lassen!!
Monsieur_Didier
28. August 2014 at 11:48…in der heutigen Zeit ist anscheinend irgendwie alles möglich…
manchmal denk ich, ich wäre nicht überrascht, wenn das nicht ein unbeabsichtigt-beabsichtiger Marketingschachzug ist…
was das ganz nicht besser macht, sondern irgendwie noch widerwärtiger…
als ich hochscrollte war ich sprachlos und kann es nicht fassen und will auch nicht glauben, dass das in so einer riesigen Firma mit vielen Verantwortlichen niemand erkannt und gesehen haben will…
Schande über „Designer“ und „Verantwortliche“…
viele viele Minuspunkte auf dem großen Karma-Konto…!!!
Siegmar
28. August 2014 at 11:57@Julian, sehr guter Beitrag und es entsetzt mich, das bei Zara anscheinend niemand nur eine Sekunde nachgedacht hat, als das Design vorgestellt wurde. Viele Jugendliche meinen heute, besonders anonym in den sozialen Netzen “ was geht mich das an, ich hab doch damit nichts zu tun, das ist schon so lange her „. Es geht doch darum, dass Verantwortung dafür übernommen wird, das so etwas nie wieder passiert und wenn man den Rechtsruck in Europa sieht kann einem schon schlecht werden, wenn ich mir Ungarn ansehe frage ich mich warum wir als Europäer uns nicht wehren gegen solche Nazi-Auswüchse, das gleiche gilt für Deutschland, das immer mehr Menschen wieder Fremdenhass und Herrendenken schüren und genügend dem laut od. leise zustimmen.
Bettina
28. August 2014 at 12:50DANKE für diesen Beitrag!
Andaleeb
28. August 2014 at 12:52Ich stimme dir zu, sowas sollte nicht passieren, vor allem einem großen internationalen Konzern. Andersherum aber zeigt der Vorfall auch dass gottseidank nich genügend vernünftige Menschen existieren, die die Geschichte nicht vergessen haben und denen bewusst ist, dass sich solch eine Geschichte niemals wiederholen darf. Von dieser Seite gesehen erscheint es irgendwie positiv, dass dieses Thema wieder ins Bewusstsein gerufen wurde, wenn auch auf so geschmacklose Weise.
Julian Gadatsch
28. August 2014 at 14:25Hallo ihr Lieben,
Ich sehe das genau so wie ihr und bin immer wieder entsetzt, wieviel Gleichgültigkeit dem Thema gegolten wird. Ich fühle mich genau wie Monsieur_Didier und denke, dass in den heutigen Zeiten so viel aus den Fugen gerät, dass es mir kalt schauert…
Horst
28. August 2014 at 22:38Format- und respektlos. Abgesehen davon ist es auch ohne den Hintergrund grützenhässlich.