(Friedrichstadtpassagen Quartier 206, Katherine Price; CC BY 2.0)
Modestandortverlust – Kaum angekommen beim weihnachtlichen Kaufhausflanieren, ereilt mich ein trauriges Gerücht aus der Hauptstadt: Der Departmentstore Quartier 206 macht scheinbar dicht. Sehr schade. Während ich vor ein paar Tagen noch über die gelungene Wiedereröffnung von Louis Vuitton im KaDeWe berichtet habe (den Artikel gibt’s hier zum Nachlesen), ist diese Meldung ein Schlag in die Magengrube aller Ästheten- und Luxusfreunde. Hatte ich doch noch ausführlich den Rückgang zum klassischen Ladenkauf hervorgehoben, aufs Zelebrieren in Kaufhäusern verwiesen (den Artikel gibt’s wiederum hier zum Nachlesen)…
Jetzt, nach bald 20 Jahren, soll angeblich der Luxustempel im Erdgeschoss an der Friedrichstraße geschlossen werden, eine traurige News. 1997 eröffnete das Q206 seine Pforten, da war ich gerade einmal sechs Jahre alt. Trotzdem habe ich von Kindesbeinen an Assoziationen vor Augen, die ich mit den aufwändig dekorierten Schaufenstern der einzelnen Stores verbinde. Mittlerweile stehen viele der Ladenlokale leer, die großen Marken haben sich auf andere Standorte konzentriert, sind ausgezogen. Anna Maria Jagdfeld, Initiatorin und Inhaberin lässt in der letzten Woche Folgendes verlauten: „Wir haben Stil, Glanz und Internationalität nach Berlin gebracht, als die Stadt noch nicht hip und trendy war. Wir waren Vorreiter und Trendsetter der noch jungen Hauptstadt Berlin und haben die Einkaufslandschaft in Deutschland entscheidend verändert. Mein großer Dank gilt dabei unseren oft langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wie unseren treuen Kundinnen und Kunden. Es waren aufregende und wunderbare Jahre“.
Wie kommen die Verantwortlichen jedoch zu der Entscheidung, den Departmentstore zu schließen? Kundenschwund? Fehlende Standortattraktivität? Zu hohe Mieten? Alles schwärmt in den Westen, könnte das aktuellster Grund sein? Wie steht es eigentlich um die Galeries Lafayette?! Fragen über Fragen, die keiner so richtig beantworten mag bzw. kann! Über Gründe wird viel gemunkelt, die Branche lässt schließlich kaum etwas unkommentiert – ganz gleich ob schlechtes oder gutes Gesprächsthema. Hinter vorgehaltener Hand wurde von immensen Schulden gesprochen, Zwangsversteigerung und Eigentum oder Nicht-Mehr-Eigentum der familieneigenen Jagdfeld-Gruppe. Keiner wusste wirklich konkret Bescheid, dafür alle ein wenig und stückchenhaft. Gefährliches Halbwissen halt. Das Unternehmen bezog laut Fashionnetwork in einer Pressemitteilung Stellung zu den aufkommenden Gerüchten:
„Leider müssen u. a. Sanierungsarbeiten am Gebäude vorgenommen werden, die sich umfangreicher gestalten als zunächst angenommen und einen Weiterbetrieb des ersten Berliner Luxuskaufhaus verhindern. Viele Einzelhändler aus dem Luxussegment hatten das Quartier bereits in den vergangenen Jahren verlassen.“ Das hört sich alles andere als gut an. Die oben genannte Quelle berichtet zudem, dass der Verkauf nur noch bis Ende Februar nächsten Jahres laufen soll, ein Abverkauf startet demzufolge im Januar. Auf die Frage des „Warum“ gibt es in dem Statement der Pressemitteilung nicht wirklich eine Antwort. Vermutlich, so lese ich es auf jeden Fall heraus, wurden die Kosten für Sanierungs- und Instandhaltungszwecke unbestreitbar für Eigentümer und Investoren.
Ich wünschte, dass ich sagen könnte: Alles nur ein Gerücht, aber die Schlagzeilen vermehren sich in den letzten Tagen verdächtig. Oh je. Habt ihr etwas Stichfestes dazu gehört? Vielleicht der ein oder andere (Mode-)Berliner unter uns, der nähere Informationen hat? Ich meine damit keinen Klatsch und Tratsch, das wäre dem ehrwürdigen Schwarz-Weiß-Tempel und seinen Initiatoren nicht gerecht. Ich freue mich über euer Feedback!
PeterKempe
9. Dezember 2016 at 10:13Die Schließung ist kein Gerücht – das Geschäft wird definitiv am 28.02.2017 geschlossen. Die Friedrichstraße leidet unter Abwanderung und zu hohen Mieten, die nur noch von Schrottketten bezahlt werden. Was hinter den Kulissen bei Jagdfelds abgeht, weiss man dazu nicht und auch nicht, ob sie wieder aufmachen.
Stephanberlin
9. Dezember 2016 at 11:50Die Friedrichstrasse leidet schon lange, als erstes ist Hermès vor Jahren weggezogen, dann Gucci, dann YSL..Die Strasse ist einfach keine sympathische Strasse, Russen gehen lieber zum Kudamm mit 10 Meter breiten Bürgersteigen
und prachtvollen Häusern, Chinesen lieber ins Kadewe, weil dort die Stimmung gut ist. Trotzdem CHAPEAU vor den Jagdfelds, sie ewaren echt die Pioniere in Berlin! Das Adlon und das Quartier206 waren die ersten Luxusboten in dieser Stadt!
Clemens
9. Dezember 2016 at 12:50Deinem Bedauern kann ich mich nur anschliessen. Jagdfelds haben mit viel Sinn für Luxus und ihrer sehr eigenen Handschrift zur Entwicklung der Stadt positiv beigetragen. Ich selbst hatte die Freude einst bei Donna Karan zu arbeiten und habe immer bedauert, dass Berlin deren Engagement nicht anerkannte und selbständig weiterführte, was die Hauptstadt der 5 größten Wirtschaftskraft der Welt dastellen sollte und könnte. Vielmehr gilt „ARM ABER SEXY“ als Credo…..was furchtbar geheuchelt ist, denn Zweitwohnsitze in der Schweiz, Amerika oder sonstwo bezahlen sich nicht von selbst, wie eine Industriellentochter im Jogginganzug in einem Cafe sitzend, sprach. Dabei hob diese hervor wie angenehm es sei, dass man in Berlin „SO“ herumlaufen könne, und es keinen interessiert. Gleichzeit mockierte sie sich, dass die Russin am Nachbartisch so aufgetakelt sei. Diese (verzeihung) dumme Haltung lässt graumäusische (gesellschaftlich, politisch und öffentlich) Mittelmäßigkeit in Berlin Triumphe feiern, kostet aber vielen die Arbeitsplätze, dem Staat Steuereinnahmen und uns die Freude Schönes zu sehen.
PeterKempe
9. Dezember 2016 at 13:41Clemens die Sichtweise kann ich nur in allen Punkten unterschreiben.Schade das Berlin nur dieses Image pflegt!
Roman
9. Dezember 2016 at 14:05Einzig logische Entscheidung, aber schade für Berlin.
Siegmar
9. Dezember 2016 at 16:58Die Friedrichstrasse erlebt jetzt die Situation die der Kudamm ebenfalls erlebte, mit dem Wegzug der großen Namen und dem Niedergang der Friedrichstrasse. Das bedauere ich sehr, das Department Store war immer so eine Anlaufstelle um schöne Dinge zu sehen, schöne Menschen zu sehen und einfach mal bei einem Kaffee zu entspannen. Leider war nach dem Weggang von Gucci und YSl die Luft raus. Vielleicht muss es so sein, die Mieten sind unverschämt und 4 H&M Filialen machen eben auch nicht soviel her, dass die kaufkräftigen Kunden kommen. Der alte Westen erstrahlt wieder im Glanz und das liebe ich sehr. Das “ Bikini-Haus “ ist ein Ort wo ich jetzt entspanne und auch einkaufe, Der Ku-Damm leuchtet wieder und seit der Neueröffnung des Kranzlers geht ganz steil nach oben.
Stephanberlin
11. Dezember 2016 at 17:35Das Wowereit-Zitat „Arm aber sexy“ liegt jetzt schon 13 (!) Jahre zurück, das hat sich alles längst geändert, es gibt andere Leute, andere Restaurants, andere Wohnungen, alles anders.
Ich würde sagen, daß Berlin mal wieder ganz vorn lag: erst machte Donna Karan in Berlin zu, danach auf der ganzen Welt!