Music

Das Gegenteil von Vielharmonie x Schubladenmusik

Der Tradition folgend gehe ich jedes Oster- und Weihnachtsfest in die Philharmonie. So auch dieses Jahr. „Zauber der italienischen Oper“ stand auf dem Programm und beinhaltete Neben dem Triumphmarsch aus Aida auch Stücke aus „Rigoletto“, „La Traviata“ oder „Der Barbier von Sevilla“. Bei Klassik verhält es sich bei mir ja so, dass ich häufig alles erkenne, es aber nicht benennen kann. Das Eltern-Popmusik-Phänomen nur halt irgendwie anders. Wer jetzt bis hier gelesen hat und jetzt fragt: „Ähm ja und …?“, dem helfe ich jetzt mal. Denn die Philharmonie hat nicht nur musikalisch etwas zu bieten. Durch die wunderbare Architektur hat man auch einen fantastischen Überblick über sein Gegenüber, Nebendran oder Untendrunter. Kino sozusagen. Und während man die von Männern gesungenen Arien so wie ich nicht so richtig verfolgt, hat man einen fantastischen Überblick über die Besucher. Da es sich wie George Clooney in „Up in the air“ schon sagte in Schubladen leichter denkt, teile ich die Philharmonie jetzt mal nicht in Sitzkategorien sondern in Gruppen ein. Mit viel Gehässigkeit und natürlich politisch unkorrekt.

Die Wir-machen-heute-mal-Kultur- Gruppe
Vorkommen: Meist als komplette Familie
Tragen: Anzüge oder Ensembles, die jeden Menschen der sie trägt verkleidet aussehen lassen.
Sagen: „Is der Sekt hier umsonst?“
Musik-Kenntnis: Können Klassik von Pop unterscheiden.
Fazit: Interessant zu beobachten.

Die Anzugkinder
Vorkommen: Als Begleitung der Eltern
Tragen: Zu große Anzüge oder unpassende Schuhe. Meist beides.
Sagen: „Wie lange geht das denn heute?“
Musik-Kenntnis: Haben Mozart zumindest mal im Musik Grundkurs gehabt, den sie dann aber gegen Kunst getauscht haben.

Die Klassikliebhaber
Vorkommen: Als Paar oder männliche/weibliche beste Freunde
Tragen: Schwarz, Glencheck oder/und Tweed
Sagen: Sachen, die nicht Klassikliebhaber nie verstehen.
Musik-Kenntnis: Na wie hoch wohl?

Das alte Ehepaar
Vorkommen: Als Paar
Tragen: Die Frauen viel Schmuck und Chanel No.5. Bei weniger Geschmack weniger Schmuck und Tosca.
Sagen: „Ist das nicht wunderschön Schatz? Wie damals, als Mozart noch selber dirigiert hat.“
Musik-Kenntnis: Auf Grund der Nachmittage mit klassischer Musik und einem guten Buch sehr hoch.

Schwule
Vorkommen: Als Freundesgruppe oder Pärchen
Tragen: Knallfarben, den Pulli über die Schultern (vorne verknotet) und Loafer, sowie manchmal einen Hermes-Gürtel.
Sagen: „Ogott guck dir bitte mal das Kleid der Sängerin an“
Musik-Kenntnis: Hoch. Immerhin haben die Pet Shop Boys ja auch mal in einer Oper gespielt.

„Ui, das ist aber nicht nett Jan“. Nein ist es auch nicht und ich sage euch deswegen jetzt auch mal wo ich mich einordne. Ich bin ein homosexuelles, altes Ehepaar.

Für alle die ebenfalls die Feiertage mit Kultur füllen wollen, den seien die Konzerte der Konzertdirektion Victor Hohenfels empfohlen. Nicht so teuer wie die großen Konzerte von Rattle und Co, aber immer mit Höhepunkten klassischer Musik.

Bild via

  • Rob
    28. April 2011 at 12:04

    😀 nicht nett aber charmant !

  • siegmarberlin
    28. April 2011 at 12:14

    @ jan
    wunderbar, nur hast Du die Wilmersdorfer Witwen vergessen, die mit Sektchen und behangen wie ein Christbaum über jeden und alles lästern, gerne auch während des Konzerts
    ( für nicht Berlin, die Wilmersdorfer Witwen verköpern das alte Westberlin, sind vermögend und konservativ )

  • Mia
    28. April 2011 at 12:54

    In eine Familie geboren, die versucht hat ihr Wiener Staatsopernabonnement weiterzuvererben, kann ich dir in puncto Klassikfreaks recht geben. Es gibt nichts was je mehr zum Lästern hergab als die „Machen wir mal Kultur“-Familien. Und wie gut es dem Blutdruck meiner Oma getan hat. Herrlich! 😉

  • Katharina
    28. April 2011 at 13:19

    Sehr passende Zusammenfassung und mit dem nötigen Augenzwinkern geschrieben 🙂

  • blomquist
    28. April 2011 at 14:13

    Nächstes Jahr will ich bitte mit!

  • Daisydora
    28. April 2011 at 16:23

    Sehr nette Idee, vergnüglich zu lesen, auch wenn da zwischen normalen Aufführungen und solchen Medleys ein kleiner Unterschied sein dürfte…aber die Leute trifft man dann bestimmt auch dort zumindest in Spurenelementen… 😉

  • Epi
    28. April 2011 at 16:35

    Ich bin ein schwuler Klassikliebhaber? Oh, wie öde.… 😉

  • Jan Who
    28. April 2011 at 17:36

    @Daisy

    auch beim Klavierkonzert von Lang Lang waren die meisten Gruppen vorhanden 😉

  • Daisydora
    28. April 2011 at 18:49

    Lang Lang ist ja auch populär, so verrückt das klingt…..

    ….aber im Prinzip muss man die von dir beschriebenen Kulturliebhaber ja auch in jeder Vorstellung treffen, denn viele Stereotype sind ja nicht mehr übrig … 🙂

  • H-C
    28. April 2011 at 19:13

    Hass-Objekt bei den Besucherinnen: der Mini-Rucksack (am liebsten von ck). Häufig in der Komischen Oper zu sehen. Grauenvoll und vollkommen überflüssig bei all den schönen Handtaschen, die frau wählen kann.