Paris Fashion Week

Christian Dior Spring Summer 2013 – Raf Simons Sicht der Dinge

Am Freitag zeigte lang ersehnt Raf Simons seine erste Prêt-à-Porter Kollektion für den nächsten Sommer für das Haus von Christian Dior.
Nachdem er schon seine fulminante Neuinterpretation von zeitgemäßer Couture im Juli unter dem großen Beifall der Fachpresse und der Fans des Hauses Dior gezeigt hatte, ahnte man, dass es nicht so ganz daneben gehen konnte – und Raf Simons hat uns für meine Begriffe nicht enttäuscht. Vor allem versucht er nicht dem alten Klischee zu entsprechen, die Stilelemente des Hauses um jeden Preis beizubehalten und ein Dior wieder zu beleben, dass es eigentlich schon seit Jahrzehnten nicht mehr gibt.

Schon ich bin mit dem Haus Dior aufgewachsen, das von Marc Bohan seit 1960 geprägt war, habe den Wechsel zu Gianfranco Ferré miterlebt, der eigentlich einen sehr eigenen Stil gepflegt hat und dann die fulminante, eher romantisch-opulente Zeit von John Galliano gesehen. Gründer Dior war zwar zu seiner Zeit der einflussreichste Modeschöpfer der Welt, aber nach seinem Tod 1956 waren die Elemente des New Looks nie wieder in den Kollektionen aufgetaucht. Erst Ferré hatte immer wieder mit dieser Linie angefangen zu spielen und besonders Galliano sich davon inspirieren lassen.

Der Zeitpunkt einer Verjüngung und eines klaren Dogmen-Wechsels ist also genau der richtige und wichtige, um als zeitgemäße Marke in die nächsten Jahrzehnte zu gehen. Raf Simons nimmt die Elemente des Hauses, wie das Tailleur „Bar“ aus der ersten New Look Kollektion, als zartes Zitat auf und macht dann ein Kleid daraus. Seine Romantik hat nichts Society-Frauen-haftes mehr an sich, sondern das einer modernen Frau. Bewusst wird auf das Raffinement von Qualitäten bei den Stoffen gesetzt, Effekte gibt es bei einigen Durchgängen, wo mit Transparenz und Changierungen gespielt wird.

Die Grundlinie ist klar und modern, spielt mit kleinen raffinierten Details, die aber eher das Handwerk betonen als auf reißerisch lauten Effekt setzten.Trotzdem wirkt nichts streng sondern fließend und es wird kein öder, verzichtender Purismus sondern konstruktive Modernität in den Vordergrund gestellt.
Was mir besonders gefällt ist, dass die Kollektion wie die eines europäischen Modehauses wirkt, das eindeutig von seinen kulturellen Wurzeln, in diesem Fall von Dior, geprägt ist. Nicht Oligarchen-Schick oder das Schielen auf fernöstliche Zielgruppen steht im Vordergrund, sondern die Weiblichkeit, die man sich auch an einem Pariser oder Londoner Mädchen vorstellen kann.

Was ich mir gewünscht hätte wären natürlich mehr Accessoires gewesen, die eher sparsam in der Schau eingesetzt waren. Sicherlich gibt es mehr in der Order-Kollektion und ich bin darauf gespannt was Raf Simons dort für die Modernität tut. Die ‚Lady Dior‘ ist sicherlich nicht mehr die ultimative Tasche zu diesen Looks. Wahrscheinlich weiß Herr Simons dort aber auch Rat, sie neu zu interpretieren.

Absolut modern finde ich die Abendkleider die keine sind, sondern eher Abend-Kombinationen mit weit fließenden Röcken, die an die großen „Ensemble de Réception“ Modelle aus dem Jahr 1954 von Christian Dior selbst erinnern. Schmale, schlichte Oberteile zur High-Tech Interpretation des guten alten Rosen-Damast Stoffe. Die schlichten roten und schwarzen „Tailleur“ Kleider avancieren sofort zu Klassikern in jedem Kleiderschrank.

Zwei Sachen die mir besonders gut gefallen sind, dass die Prêt-à-Porter Kollektion genau das ist, wofür sie als Boutique Kollektion mal erfunden wurde: Sie spiegelt in etwas einfacherer Form den Vibe und den Stil der Haute Couture Kollektion wieder.
Raf Simons nimmt mit ganz feinen Antennen die Tradition und die Eigenschaften des Hauses Dior auf, lässt aber immer wieder zwischendurch seine eigene Persönlichkeit durchblicken und verleugnet sie nicht – Well done Job Monsieur Simons!!

Christian Dior wird sicherlich durch diese Kollektion wesentlich mehr neue und jüngere Klientinnen gewinnen. Trotzdem wird das Haus nicht mit der Brechstange revolutioniert und wird auch den langverbundenen Dior Fans treu bleiben – was ja auch nicht unwichtig ist bei einem dreistelligen Millionen Umsatz, der pro Saison erzielt werden will. Ein Image-Wechsel birgt da stets eine große Gefahr und wenn man neue Zielgruppen erreichen möchte, hat das natürlich auch Risiken.

Für meinen Geschmack gelingt es Raf Simons mit dieser Kollektion eine feine und fragile Metamorphose einer der größten Modehäuser der Welt mit viel Fingerspitzengefühl ein zu leiten. Und schließlich sind es die friedlichen und sanften Revolutionen, die dauerhaft zum Wandel geführt haben.
Christian Dior 2013 ist ein Garant für eine große Zukunft der Avenue Montaigne Nummer 30 – hoffentlich noch lange mit Raf Simons!!

  • loewenherzblut
    2. Oktober 2012 at 11:06

    Lieber Peter, sowohl die Kollektion als auch Dein Text sind eine Punktlandung.

  • Siegmar
    2. Oktober 2012 at 11:15

    wunderbarer Artikel und Raf Simons ist bei „Dior“ wirklich angekommen, gefällt mir sehr.

  • blomquist
    2. Oktober 2012 at 11:36

    I like!

  • Maria
    2. Oktober 2012 at 11:50

    Die schillernden Röcke mit großen Blumenprints jagen mir kalte Schauer über den Rücken. „Modern“? Mitnichten. Die ersten 10 Looks waren perfekt. Dann ging es bergab.

  • Volker
    2. Oktober 2012 at 11:59

    Ich bin kein Fan von Raf Simons. Die Blumenprints hingegen finde ich bezaubernd und fast eine Hommage an den Galliano Kitsch.

  • Monsieur_Didier
    2. Oktober 2012 at 13:53

    …in diese Kollektion bin ich geradezu verliebt…
    ich habe mir den aufgezeichneten Live-Stream mehrfach angesehen und konnte es nicht fassen…
    tolle Silhouetten, fantastische Materialien und eine sichtbare Grandezza, die mich stauen läßt…
    wenn Mode sprach- und atemlos werden läßt, dann hat sie ihren Zweck erfüllt…
    in diesem Sinne: …DANKE, Herr Simons…!

  • Johannes
    2. Oktober 2012 at 14:00

    Auch wenn ich mir Feinde einhandle, mir gefällt es nicht. Wo ist die Dramatik vorheriger Kollektionen?

  • Eveline
    7. Oktober 2012 at 12:23

    Ich finde es großartig, was Simons mit Dior macht und du hast absolut Recht: „dass die Prêt-à-Porter Kollektion genau das ist, wofür sie als Boutique Kollektion mal erfunden wurde: Sie spiegelt in etwas einfacherer Form den Vibe und den Stil der Haute Couture Kollektion wieder“.

    Aber: so schön die Silhouette der Abendkleider sein mag, die Blumenprints finde ich potthässlich.

  • loewenherzblut
    9. Oktober 2012 at 11:03

    Und nun gebe ich Herrn Simons das Wort:
    http://www.youtube.com/watch?v=T4GebETdNVw&list=PL1BC1B82A424FE06A&index=2&feature=plcp