Wisst ihr auswendig, wie wenig eine Dose Ravioli irgendeines Herstellers bei Aldi kostet?
Irgendwer stellt das alles her, was wir konsumieren. Menschen, die wir normalerweise nie zu Gesicht bekommen. Und, weil die Dinge im Supermarkt akkurat Dose für Dose aufgereiht stehen und ein uns bekanntes Markenlogo eines Multinationalen Konzerns drauf steht und das Produkt in aller Regel billig ist, greifen wir mit gutem Gewissen zu. Gutes Essen kann man den Doseninhalt zwar streng genommen nicht nennen, schon eher Schlangenfraß, aber er macht satt und kostet heute weniger als vor 10, 20 oder 30 Jahren.
Dokumentationen zur Herstellung von Nahrungsmitteln und Waren liegen im Trend und die finnische Dokumentarfilmerin Katja Gauriloff hat sich das alltäglichste aller Nahrungsmittel herausgesucht. Verfolgt mit der Kamera in ihrer 90 Minütigen Dokumentation die Herstellung einer Dose Ravioli. Vom Erzabbau für die Dose bis hin ins Regal des Supermarktes.
Der Film beginnt mit dem ganz alltäglichen Alptraum, in dem die Menschen, Erwachsene und Kinder, die in einer brasilianischen Mine mit bloßen Händen Erdklumpen aus dem Boden holen, aus denen das Aluminium für die Billigdosen gewonnen wird. Arbeitsschutz und Rechte existieren nicht für diese Menschen. Sie müssen unter lebensgefährlichen Bedingungen arbeiten und verdienen damit zu wenig, um menschenwürdig leben zu können.
Die Absurdität und Perversion unserer Konsumgewohnheiten, diktiert durch multinationale Food-Konzerne, Discounter und Supermärkte, die den Löwenanteil des Nahrungsmittelabsatzes in Deutschland verantworten, ist stellenweise nicht mehr steigerbar. Wobei ich den Käufern solcher Lebensmittel zubillige, den Überblick verloren zu haben und einfach oft nicht über die Informationen zu verfügen, die man braucht, um sich zu gruseln.
Wer denkt schon an Massentierzucht und Billigfleischgewinnung in Skandinavien, wenn er in seinen butterweichen Raviolo beißt. Wer weiß, wie viele Hände von Mitmenschen in wie vielen Ländern Europas und außerhalb für Micro-Beträge all die Handgriffe tun müssen, damit der Platz der Ravioli-Dosen im Regal nie leer bleibt. Wie es diesen Menschen dabei geht, welche Gedanken, Träume und Nöte die Arbeiter und ihre Familien umtreiben?
Wenn man es ganz knallhart auf den Punkt bringen will, dann haben die Nahrungsmittel-Industrie und die Discounter in den letzten dreißig Jahren ein zum Teil unmenschliches System implementiert, bei dem die Menschen und Unternehmen in der Herstellungskette zu Sponsoren unseres frei verfügbaren Einkommens degeneriert sind. Vor dreißig Jahren haben wir noch vierzig bis sechzig Prozent des Einkommens für’s Essen gebraucht und heute sind es gerade noch vierzehn bis sechzehn. Wir essen aber nicht weniger. Das tun dann schon besser die Leute, die unser Essen herstellen.
Die Dokumentation ist so schlicht wie genial. Danach kann keiner mehr sagen, wir wussten ja nicht. Nicht davon, dass behinderte Menschen, die sich um die Tiere kümmern, davon erzählen, dass ihnen die Schweine lieber sind, als die Menschen. Die Ravioli-Recherche führt noch durch Länder wie Portugal, von wo die Tomaten kommen, zu den Oliven in Italien, einer Großmetzgerei in Polen. Und an jeder Station der 30.000 Kilometer langen Ravioli-Reise durch Europa berichten Arbeiter und Angestellte ihre Lebenswünsche und Erwartungen in die Kamera.
Wenn Dosenfutter sprechen könnte, dann hätte es traurige Geschichten zu erzählen.
Canned Dreams
Die Dokumentation wurde von ARTE Frankreich mit finanziert. Es besteht also die Hoffnung, dass alle unter uns, die sie in Berlin nicht sehen konnten, das noch nachholen können. Ich werde den Sendetermin im Auge behalten und euch dran erinnern.
Saba
16. Februar 2012 at 13:37Ich werde mir die Doku ansehen und bin jetzt schon froh, keine Ravioli zu essen. Dafür hab ich bisher andere Konserven gekauft (Erbsen, Mais etc). Ich sollte wohl auf Glas umsteigen. Sehr empfehlenswert sind auch Dokus wie Taste The Waste, die for Augen führen, dass im Grunde genug Essen für alle da ist, nur viel zu viel bei uns in den führenden Industrienationen. Plastic Planet illustriert wie die Verpackungen von unseren täglichen Gütern nicht nur die Meere verstopfen, sondern auch unsere Organismen.
siegmarberlin
16. Februar 2012 at 14:05ein Artikel der unter die Haut geht, ich kaufe so gut wie keine Konserven und auch nichts auh nichts in Glasabgefülltes ( einzig Tomaten, da die aus der Dose of besser sind als die frischen). Grundsätzlich versuche ich alles frisch einzukaufen,als Alternative zu den ganzen Dosen- u. Glaskonserven, empfehle ich Tiefkühlartikel, die werden ganz frisch zubereitet und dann sofort eingefroren, wesentlich gesünder als alle Konserven. Ich will nicht überheblich klingen und belehrend, das ist meine Erfahrung und nur Bio einzukaufen ist mir wirklich zu teuer und in den ganzen Bio-Märkten sieht man auch mittlerweile Lebensmittel die von anderen Ende der Welt kommen.
Daisydora
16. Februar 2012 at 14:11@Saba
Vielen Dank für deine Doku-Tipps, Taste The Waste habe ich gesehen …. irgendwie muss man ja versuchen, da durch zu steigen.
Ob und wie weit man auf all das Zeugs ganz verzichten kann, hängt ja auch immer davon ab, ob man mit wenig Geld eine ganze Meute hungriger Mäuler zu füttern hat … wenn nicht, braucht man das nicht und kann sich bei Kenntnis von Missständen, wie den von dir angesprochenen und in Sachen Raviolidose korrekt verhalten.
Ich kaufe seit mehr als zehn Jahren gar nicht bei Discounternn ein, weil ich dieses System der Erpressung von Lieferanten, der Ausbeutung der eigenen Mitarbeiter und aller Menschen, die mit der Herstellung der Waren betraut sind, absolut nicht unterstützen will.
Daisydora
16. Februar 2012 at 14:18@siegmar
D’accord ….
…man muss sich eben ganzheitlich umstellen, das ist erlernbar und machbar, so man nicht arm ist … ich bin da leider noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angelangt, habe nur Glück, dass mein Gaumen auf Frisches und Gutes besteht, weil mir das andere Zeugs schlicht nicht schmeckt.
Und ich gewöhne mir gerade ab, vorerst noch mit durchwachsenem Erfolg, nicht jeden Tag im Jahr frische Himbeeren oder Blaubeeren zu essen …
siegmarberlin
16. Februar 2012 at 14:53@ daisydora
ist natürlich sehr verlockend, wenn man jetzt Himbeeren, Blaubeeren, Erdbeeren angeboten bekommt, ich kauf die trozdem nicht, nicht nur wegen des Weges sondern weil die schlicht meistens nach nichts schmecken.
Daisydora
16. Februar 2012 at 15:37@siegmarberlin
Dort wo ich die kaufe, schmecken die leider immer noch gut genug für meine lebenslange Gewohnheit ….. aber ich gelobe Besserung …
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20. Februar 2012 at 11:18[…] im Mode-Zirkus? Daisydora berichtete am Freitag. 2) Die Sendung mit der Maus für Erwachsene gab es hier auf Horston am Donnerstag. Oder wusstet ihr so ganz genau unter welchen Bedingungen Konservendosen entstehen? 3) Die […]