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1. Januar 2013

Allgemein

Warum gibt es die Thomaner nicht als Mädchenchor? – Eine nicht ganz bierernste feministische Vorausschau auf das Onlinejahr 2013

Wie lange gibt es den eigentlich schon und hat er dabei geholfen, die Sache der Frauen irgendwie weiter zu bringen?
Nun es geht hier erst mal um den Weltfrauentag. Ganz ehrlich, wenn ich gefragt werde, welche Welttage mir geläufig sind, dann fällt mir nur der Welttierschutztag am 4. Oktober ein. Fragt besser nicht, was der ganz vorne auf meiner Festplatte macht, das rührt vom Grundschulbesuch mitten in Wien her. Vom Weltfrauentag werde ich jedes Jahr auf’s Neue überrascht und so jedes zweite Jahr vergesse ich den wie manche Männer ihre Hochzeitstage.

Rund um die Feiertage lese ich traditionell in alle neuen Bücher rein und schaue nebenbei ungefähr achtzehn Stunden TV an jedem einzelnen Tag. Da entgeht einem nichts und die Schnipsel aller mehrmals gesehenen Dokumentationen und Filme über die Kennedys, Brigitte Bardot , die Thomaner, Catherine Deneuve und über zwanzig weitere nicht unbekannte Frauen und Männer türmen sich zur Verwertung vor mir auf. Stellt euch vor, das Abfallprodukt des TV-Marathons ist nicht nur mein Durchblick zum Unterschied zwischen den fabelhaften Thomanern und den Wiener Sängerknaben. Bei der Wiederholung desFilms Die Thomaner, anlässlich des 800 jährigen Jubiläums des Leipziger Thomaner-Chores fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Es gibt in unserer Musikkultur keine weltberühmten Mädchenchöre und ich glaube, ich weiß, warum das so ist: Die Thomaner sind ganz normale Jungs im gymnasialen Alter von neun bis achtzehn Jahren, die neben ihrer Stimme und der Musikalität etwas noch viel Wichtigeres verbindet und immer weiter treibt: Neben den Lernerfordernissen beim Besuch der Thomasschule (das Gymnasium hat über alle Absolventen gerechnet einen Abiturnotenschnitt von 1,8) und den vielen Chor- und Individualproben und Gesangsstunden und nicht zuletzt den Reisen und etwas Sport zum Ausgleich, suchen diese rund 93 Jungs an jedem Tag nach Exzellenz. Es macht sie glücklich, hart zu arbeiten, um immer besser zu werden. Johann Sebastian Bach allüberall.
Schaut hier kurz rein, ich fand den Film Die Thomaner sehr interessant und kurzweilig
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Man kann sich nicht auf Dauer durchmogeln, wenn etwas so schwer ist und das erfordert eine ganz bestimmte Struktur und auch Zeit, die viele Mädchen nicht haben. Das ist Erziehungssache, glaube ich wenigstens. Mädchen setzen bis heute noch zu oft dort an, wo man angeblich mit wenig Einsatz so weit wie möglich kommen soll … Männer muss man trotz vieler Vorbilder immer noch dazu zwingen, Model werden zu wollen. Bei den Mädchen ist das eine der ersten Ideen.
Schwer vorzustellen, dass man einen exzellenten Thomaner-Mädchenchor aus Mädchen auf die Beine stellen könnte, denen die superpinkfarbene Cinderella-Industrie zuerst ihre Gehirne mit der Idee „Konsum geht über alles“ zugemüllt hat, bis sie dann zu den nervigen Monstern herangewachsen sind, die jeden Pups, den sie eingekauft haben, in dämlichen Hauls abfeiern. Mädchen fehlt die Zeit für das Wesentliche, weil sie sich damit ablenken, um sich und ihr Aussehen zu kreisen. Und daran basteln, bei allen anderen Mädchen, die genauso ticken, gut rüberzukommen. Ich habe eine ganze Reihe dieser Hauls für diesen und andere Berichte vom Anfang bis zum bitteren Ende durchgeguckt und mache mir seither wirklich Sorgen um die Zukunft der Frauen. Mensch Mädels, das kann doch nicht sein, dass in euren Köpfen wirklich keine Synapsensprünge zugunsten eurer Entwicklung zu modernen und selbstbestimmten Frauen stattfinden.

Woher kommen all diese Mädchen ohne Fokus – die scheinen Alice S. irgendwie durchgerutscht zu sein, oder? Für mich haben auch die toll klingenden Botschaften zur neuen Führungsrolle von Mädchen und Frauen bei Bildung und Ausbildung hauptsächlich Unterhaltungswert. Was soll denn das sein, wenn schlechter ausgebildete Männer immer noch besser in die Gänge kommen, als Frauen, denen die bösen Männerbünde und weltumspannenden Seilschaften den dornigen Weg zur Karriere auch noch mit Steinen verstellen. Wo bleibt denn mein Thomaner Mädchenchor, nur an der verkrusteten Kirchentradition kann es doch heute nicht liegen. Und am Geld kann es in einem reichen Erben- und Stifterland wie Deutschland auch nicht scheitern, wenn so schöne Musik dabei herauskommt. Aber vielleicht sollte ich dazu besser mal einen Brief an Alice Schwarzer schreiben.
Kann ein Weltfrauentag pro Jahr dagegen wirksam werden? Wohl eher nicht. Man müsste schon mehrere Ruckreden der richtigen Vorbilder an Mädchen und junge Frauen adressieren, damit sich da in der Breite mal deutlich was ändert. Kein Job für Alice. Die ist gut in Vielem, aber nicht darin, Frauen auch mal auf den Kopf zu die bittere Wahrheit zu ihrem mitunter einfach gestrickten Plan fürs Leben zu sagen.
Und die Frauen, die zum Vorbild taugten, für die ist es so selbstverständlich, als Frauen so wie Männer zu leben, dass ihnen die Unterschiede abhanden gekommen sind, die einen Lernprozess anschieben könnten … Zudem, warum sollten sie sich mit all den Prinzessinnen der westlichen Hemisphäre anlegen. Je mehr Frauen in ihrem künstlichen Kosmos bleiben, desto später wird die Luft für moderne Frauen dünn.
Zu den Jugendzeiten meiner Mutter war das alles viel moderner und besser. Man hat zwar nicht über Feminismus geredet, aber es war für Frauen auch kein unüberwindbares Problem, ein Studium, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen. Und großes Gedöns musste man da auch nicht drum machen. Es gab unter den namenlosen Frauen und Prominenten zahllose Beispiele dafür, dass es funktioniert. Die Frauen waren meines Wissens nicht hässlicher und unfemininer als heute, obwohl es weder Beauty-Hauls noch solche mit Fashiontipps gab. Die Yellow-Press als Hauptlektüre und Modeblogs mit Tagesoutfits waren auch noch nicht erfunden. Man hatte also Zeit genug. Das bringt mich auf die Idee, es könnten diese Zeitfresser sein, die uns Frauen dran hindern, Karriere zu machen. Zu viel Online-Windowshopping, Soziale Netzwerke, mehrmals wöchentliche Besuche in Drogeriemärkten, Schuhläden und Klamottenshops, Selbstdarstellung in hunderten Videos und auf dem eigenen Blog, das Blättern in der Yellow Press, das Schreiben mehrerer tausend SMS im Jahr …

Könnt ihr euch so futuristisch moderne Frauen wie Catherine Deneuve dabei vorstellen, wie sie sich als Sechzehnjährige in einem unförmigen Mintfarbenen Top und einem unsäglichen Pinkfarbenen Rock, beide Teile von H&M, in einem fast zwanzigminütigen Video (es gibt noch viel mehr dieser Klamotten herzuzeigen) der Online-Weltöffentlichkeit aussetzt? Kafkaesk, die Vorstellung, irgendeine tolle, moderne Frau, die in ihrem Leben etwas erreicht hat und selbstbestimmt lebt, hätte als Teenager oder als junge Frau hunderte Stunden, schon eher tausend pro Jahr mit solchem Schmonzes vergeudet. Das sagt übrigens meine Mutter, die ab und zu fragt, machst du solche komischen uncoolen Blogger-Sachen jetzt etwa auch Kind?
Spätestens in diesen Momenten weiß ich ganz sicher, die wahren Feministinnen gab es schon vor Alice Wirkungsbeginn – und wahrscheinlich haben Brigitte Bardot, Catherine Deneuve, Veruschka von Lehndorff oder Jane Birkin mehr Frauen zu einem selbstbestimmten Leben animiert, als jede dieser offiziellen Streiterinnen für die Sache der Frauen. Meiner Mutter ist auch das egal, die stand ja auch, wenn die übrige Zeit es nicht anders erlaubte, mit Bleistiftrock, tollen Pumps und Preussischblauseidener Schößchenjacke in der Küche, über und über mit tausenden Korallenperlchen bestickt – nur um mich noch schnell vor dem Ausgehen beim Kochen meines geliebten Spinats zu beaufsichtigen … alles kein Beinbruch, man hatte ja noch so viel übrige Zeit. Trotz Karriere, vier schlimmen Kindern, einem Mann, der nie zuhause war, weil er auch Karriere machen wollte .

In diesem Sinne erwarte ich die glamouröse Premiere des Thomaner-Mädchenchores, der mit Pauken und Trompeten und glockenhellen Stimmen auf der Weltbühne erscheint und uns alle umhaut und den Jungschor mitsamt seinen 800 Jahren Tradition am Buckel in den Schatten stellt, an jedem einzelnen Tag in diesem Jahr. Und gebt bitte Bescheid, falls mir das Video vom Premieren-Haul durchgerutscht sein sollte …

Allgemein Music

No Beer x Austra

Bevor Beth Ditto am 18.11.2012 im Berliner Velodrom wieder einmal bewies, dass in ein Mikro rülpsen sehr unterhaltsam sein kann waren da auch noch Austra. Damals hatten sie für die meisten Leute im Publikum noch keinen Namen. Vielmehr waren es für den Großteil der Zuschauer komische Frauen in undefinierbaren Trachten die sehr laut ins Mikro sangen. Dennoch übte dies eine eigenartige Faszination aus. Die wie Grimes auch aus Kanada stammende Band rund um die lettisch-kanadische Songwriterin Katie Stelmanis hat ihren Namen übrigens von der lettischen Göttin des Lichts.
2010 gegründet, ist ihr Album bereits im letzten Jahr erschienen und klingt ein bisschen wie Fever Ray. Aufmerksamkeit bekamen Austra für ihr Album zumindest bei uns eher weniger. Wir hoffen, dass sich das nach ihrem Auftritt als Vorband von Gossip (und übrigens auch von The XX) 2013 ändern wird.