Bild: Courtesy of 080 Barcelona
Barcelona oder Berlin? Berlin oder Barcelona? Mitten in der Abgabephase meiner Bachelorarbeit stehe ich vor folgenschwerer Entscheidung: Pfeife ich auf die deutsche Modewoche und verpasse damit den vielversprechenden Vogue Salon mit seinen Talenten und einer Handvoll interessanten Schauen? Oder: Lasse ich die spanische Modewoche 080 Barcelona sausen und damit liebevoll organisierte Events, die vor Energie nur sprühen? Ich entscheide mich für ersteres und mache mich auf den Weg Richtung Süden – eine willkommen Abwechslung vom Unialltag, zum Glück habe ich etwas vorgearbeitet…
Letzte Saison musste ich leider passen, bedingt durch meine Tätigkeit am Goethe-Institut in Frankreich hatte ich keine Zeit ins nicht mal so weit entferne Spanien zu jetten. Jetzt aber: Ausgestattet mit 30 Grad-kompatiblen Outfit, Zahnbürste und Wechselschlüpfern komme ich vor Ort an und checke im Hotel Catalonia Barcelona Plaza ein. Hier steigt in alter Tradition die internationale Presse ab und es gibt ein freudiges Wiedersehen mit den ein oder anderen Redakteuren. Dreh- und Angelpunkt in den frühen Morgen- und Abendstunden? Der Rooftop-Pool mit Bar! Hier stelle sogar ich freiwillig den Wecker früher, um noch ein paar Runden schwimmen zu gehen. Frisch und munter geht es weiter zur Location, dem INEFC (Nationales Sportinstitut der Universität von Katalonien). Sorry, aber bei einem Campus von über 30.000 m² und einer damit verbundenen Großzügigkeit an Fläche kann das Erika-Heß-Stadion leider einpacken: Pappwand-Ästhetik oder Hochdruckreiniger-Werbung? Fehlanzeige! Mit unverwechselbarem Blick auf die Stadt und einer Authentizität, die irgendwo zwischen Sporthalle und Olympiastadion einzuordnen ist, macht es gleich doppelt Spaß dabei zu sein.
Hier könnte ich ohne große Sorgen mehrere Tage das gleiche Outfit vorzeigen, schief angeschaut wird man nicht. Fragwürdige „Ist-Geliehen-Aber-Ich-Tue-Mal-So-Als-Ob“-Posen und vermeintliche Wichtigtuerei sucht man vergeblich. Hier trägt auch nicht jeder sein omnipräsentes Täschchen von Céline, YSL oder Konsorten spazieren – entspannt bodenständig. Gehetzter Bloggerblick mit iPhone in der Hand? Scheint glücklicherweise noch nicht professionalisiert! Dafür gibt es jede Menge Einkäufer und Leute die sich in erster Linie für die gezeigte Mode und nicht das Tamtam drum herum interessieren. Auf den Fluren präsentieren Studenten ihre Abschlusskollektionen, nationale Fernsehformate haben ihre Fernsehstudios eingerichtet und Lynn Yaeger geht auf Themenrecherche. Die Vogue? In dieser Saison immer wieder anzutreffen! Ein gutes Zeichen, nicht? Egal ob amerikanische, italienische oder Männerausgabe: Bei fast jeder Schau lassen sich die Ausgesandten im Backstage-Bereich oder in der Front Row antreffen. Für Horstson habe ich mir die US-Ikone und Redakteurin Yaeger zum Tête-à-Tête in intimer Journalistenrunde geschnappt. Mr. Mickey Boardman vom PAPER Magazine war ebenfalls vor Ort und auch ihm konnte ich die ein oder andere Antwort auf meine Fragen entlocken – in ein, zwei Wochen gibt es an dieser Stelle das gesamte Interview.
Lynn Yaeger und Mickey Boardman; Bild: Julian Gadatsch
Bevor ich jedoch das Pferd von hinten aufzäume und vom letzten, phänomenalen Abschluss berichte, fange ich lieber auf der Startlinie an. Die erste Show im Rahmen der 080 Barcelona sehe ich mir am Mittwochabend an: Custo Barcelona. Klar, nicht mein absolutes Lieblingslabel denn noch immer schwirrt der fade Beigeschmack von ProSieben-GNTM-Ausschlachtungen in meinem Kopf. Dennoch muss ich sagen, dass mir der ein oder andere Entwurf durchaus gefallen hat. Zudem ziehe ich meinen Hut vor dem gleichnamigen Modedesigner Custo Dalmau, der das Label seit 1980 (gemeinsam gegründet mit seinem Bruder David unter dem Namen Custo Line) hochgezogen hat und immer wieder mit Szenenapplaus belohnt wird. Ein verflixt geschäftstüchtiger Mann, der es versteht die Massen anzusprechen – wer erreicht heute noch den Mainstream, mitunter den europäischen und amerikanischen Markt, ohne sein Gesicht zu verlieren? Außer ihm fallen mir nicht wirklich viele Kandidaten ein! Mein Favorit? Neben Männermodeltraum Juan Betancourt (apropos: Wo steckt Jon Kortajarena?) die Kombination aus Palmenprint und Pastelltönen. Understatement sucht man vergeblich, hier wird gezeigt und nicht zurückgehalten – kann auch mal ganz spannend sein. Die Kollektion trägt den Titel „Next“ und scheut auch nicht vor transparenten Oberteilen in Netzoptik. Nicht umsonst ist Pride-Monat! Ich habe mir ein paar Notizen gemacht und stelle fest: Den faden Beigeschmack hat das Label definitiv nicht verdient! Beschwingt durch den tosenden Schlussapplaus machen wir uns auf ins Restaurant Club Bananas.
Custo Spring/Summer 2017; Bilder: Courtesy of 080 Barcelona
Custo Spring/Summer 2017; Bilder: Courtesy of 080 Barcelona
Custo Spring/Summer 2017; Bilder: Courtesy of 080 Barcelona
Custo Spring/Summer 2017; Bilder: Courtesy of 080 Barcelona
Custo Spring/Summer 2017; Bilder: Courtesy of 080 Barcelona
Hier findet fast jede Saison das Custo-Dinner statt und ich darf Lou und Ira kennenlernen – zwei bezaubernde Damen, die erfolgreich im Blogger- und Modelbereich arbeiten. Wir schäkern über die Heimat, sie leben in Nordrhein-Westfalen/ Köln, und ich bin froh, dass ich nicht ganz alleine an der „German Journalist“-Front sitze. Zu späterer Stunde lernen wir auch noch, Achtung NSFW, einen waschechten Pornodarsteller kennen. Juan Lucho, ein aufstrebendes Talent der katalonischen Erotikbranche – hübsches Kelchen, schönes Gesicht und sonst auch, nun ja… vermutlich gut ausgestattet. Wieder einmal wird das Interesse in mir geweckt, irgendwann mal jemanden aus der Branche zum Interview zu treffen. Freimachen kann sich ja (fast) niemand von dem Thema und da fände ich es durchaus konsequent mal neugierig Fragerunde zu spielen. Das wäre an dieser Stelle jedoch mehr als unpassend gewesen, also warte ich auf eine nächste Chance. Wer weiß, vielleicht ergibt sie sich ja an anderer Stelle. Weg vom „film for adults“, hin zu Alex Estil-Ies. Der Direktor der ausführenden PR-Agentur XXL Communication ist der absolute Star des Abends und wird frenetisch gefeiert – die Kölner würden sagen „ein echtes Original“, die internationale Journalistenrunde jubelt. Jetzt aber ab ins Bett.
Am nächsten Morgen drehe ich meine Runde im Pool und schaue mir folgende Schauen an: Xavi Grados, Pau Esteve, Antonio Miro und Torras.
Pau Esteve Spring/Summer 2017; Bilder: Courtesy of 080 Barcelona
Pau Esteve Spring/Summer 2017; Bilder: Courtesy of 080 Barcelona
Pau Esteve Spring/Summer 2017; Bilder: Courtesy of 080 Barcelona
Pau Esteve Spring/Summer 2017; Bilder: Courtesy of 080 Barcelona
Pau Esteve setzt auf das Thema „Sweat“ und überzeugt dabei mit raffiniertem Lagenlook und dem Einsatz leichter Materialien. Mein Lieblingsteil? Die schwarze Sportjacke mit lachs- und roten Grafikelementen!
Kommen wir zu meinem Tageshighlight:
Xavi Grados Spring/Summer 2017; Bilder: Courtesy of 080 Barcelona
Xavi Grados Spring/Summer 2017; Bilder: Courtesy of 080 Barcelona
Xavi Grados Spring/Summer 2017; Bilder: Courtesy of 080 Barcelona
Gerade Xavi Grados hat mir mit seiner zurückhaltenden Formsprache zugesagt, Land trifft Wasser. I mean, really? So vereinfacht diese beiden Gegensätze in unseren Köpfen verankert sind, so vielschichtig-kreativ scheint sich der Designer dem Thema angenähert haben. Die Kollektion trägt den Namen „Rall“ und ist von der katalonischen Küste und damit verbundenen Gefühlen des talentierten Designers inspiriert. Somit verwundert es kaum, dass überwiegend Blau-, Sand und Weißtöne gezeigt werden. Meine Sitznachbarin verrät mir zudem, dass die Stoffauswahl der Designs, überwiegend Bambus- und Baumwolle, zu 100% natürlich sind. Finde ich, gerade Anbetracht des oftmaligen Einsatzes von Acryl/ Plastik als günstigere Alternative, mehr als lobenswert. Ergänzt wird die Kollektion durch eine Kooperation mit dem Illustrations- und Streetart-Künstler Nuriatoll, der sich für die Prints der Outfits verantwortlich zeigt.
Xavi Grados Spring/Summer 2017; Bild: Courtesy of 080 Barcelona
Das war schon der erste Teil meines Barcelona-Report, neben den Kollektionsbildern gibt es auch noch ein paar Impressionen von der Stadt! Ich freue mich sehr über Empfehlungen und Tipps, plane gerade schon wieder meinen nächsten Trip Richtung Spanien…
Teil 2 folgt in Kürze.
Tom
8. Juli 2016 at 13:41Schöner Ort!
Außer Custo vielleicht kenne ich kein Label. Gefallen tun sie in Einzelteilen alle.
Bin auf der Interview mit Mickey Boardman gespannt.
Siegmar
8. Juli 2016 at 16:56Custo hat paar sehr schöne Teile, die anderen kannte ich nicht und ich weigere mich rosa od. mintgrüne Strumpfhosen anzuziehen. 🙂
Stephanberlin
9. Juli 2016 at 11:38Und ich mußte schmunzeln über den Nebensatz „ein aufstrebendes Talent der katalonischen Erotikbranche…“
serven
9. Juli 2016 at 18:00Eine Frage hier an die Fashionleute.
Wie kann es sein, dass die grosse Jil Sander Ausstellung im Museum Angewandte Kunst
in Frankfurt ausgerichtet wird und nicht im Museum für Kunst und Gewerbe in Hmaburg,
wo sie eigentlich hingehören sollte?
Es wird davon gesprochen, daß „man sich nicht einig werden konnte“. Was heisst das?
Hat jemand Kontakt zum Kunst und Gewerbe Museum und kann mal nachfragen?
Freitag mittag war Frau Sander zusammen mit Peter Schmidt in Frankfurt zu Absprachen
mit dem Museumsdirektor dort.
Es wäre schade und ein grosser Verlust für Hamburg, wenn die Ausstellung für die
Stadt verloren gehen würde!
Was ist Eure Meinung dazu?
Unterwegs auf der … 080 Barcelona – Teil 2 | Horstson
15. Juli 2016 at 06:17[…] ich im ersten Teil des Barcelona-Berichts bereits einige Designer vorgestellt habe, geht es nun mit dem Label Antonio […]